Vorherrschen
N ationalifätsidee
der Kunst.
Benutzung alles Vergangenen; ein andres Mal wählte er für die Kaserne in Bautzen den englisch-gotischen
Stil. Im Jahre 1844 entstand das Konkurrenzprojekt für die Nicolaikirche in Hamburg; der Plan der-
selben zeigt nach dem Vorgange Bunsens und Schinkels die Zerlegung in eine Abendmahls- und eine
Predigtkirche. Die letztere ist nahezu quadratisch und hat Emporen in den Querschiffen; stilistisch
wählte Semper hier den Rundbogen. Semper erhielt durch die Jury den ersten Preis, aber den
Hamburgern erschien sein Plan nicht ausreichend im Sinne eines zu erlangenden St-adtmonuments, und
Scott gewann nach einem späteren Gutachten sowohl den ersten Preis als die Ausführung. Die an diesen
Vorgang sich anknüpfende Polemik fand in Sempers Schrift: "Über den" Bau protestantischer Kirchen"
(1845) ihren Ausdruck. Ein zweiter grosser Bau Sempers ist das Neue Museum in Dresden, 1847-1849
bis zur Parterregleiche fertig gestellt. Das Museum zeigt an der Zwingerseite eine andere Physiognomie
als an der Platzseite; aber wenn dies ein Fehler ist, so wurde derselbe durch die Lage des Baues ver-
schuldet, die allerdings wieder zum Teil auf Sempers Rechnung kommt. Durch die Lage des Museums
an einer Seite des Zwingers wurde der Durchgang nach dem Zwingergarten nötig, und dieser verhinderte
wieder die zweckmässige Anlage einer Haupt-Treppe. Im Jahre 1849 musste Semper politischer Er-
eignisse halber aus Dresden nach Paris flüchten, und beschäftigte sich dort mit Dekorationsentwürfen
für Dieterle, den artistischen Direktor der Porzellanfabrik in Sevres. Auf Veranlassung Shadwicks
wurde Semper in der Londoner Ausstellung von 1851 mit den Arrangements der Abteilungen von
Canada, Ägypten, Schweden und Dänemark beauftragt, und in der Folge als Professor für Metallotechnik
an das Museum and School for practical art berufen. Es entstehen in dieser Zeit verschiedene englische
Schriften Sempers und der Entwurf zu seinem litterarischen Hauptwerk: „der Stil". Im Jahre 1855
wurde Semper an das Polytechnikum zu Zürich als Lehrer berufen, und erhielt 1858 mit Wolf
zusammen den Auftrag für den Neubau des Gebäudes für das Polytechnikum. Es war dem eine Konkurrenz
voraufgegangen, in deren Jury Semper selbst gesessen hatte; indes erhielt damals keiner der Bewerber den
ersten Preis. Am Gebäude des Polytechnikums konzentriert sich der ganze Aufwand an Architektur-
formen auf den Mittelbau, der die wichtigsten Räumlichkeiten enthält, während die Flügel stiefmütterlich
behandelt sind, so dass keine Einheit der Wirkung erreicht wird. Der ganze Bau macht auch keineswegs
den Eindruck einer Schule. Der Sgrafütoschmuck ist nachträglich angeordnet und deshalb ungenügend.
An diesem Bau hat Semper zum erstenmal rustizierte Pilaster, also Formen der Spätrenaissance,
angewendet. Das Innere ist vortrefflich angeordnet. Die Sternwarte in Zürich, 1861 von Semper
erbaut, bildet einen dreigeschossigen Langbau mit anschliessendem Rundturm, der das Observatorium
enthält; dem Langbau schliesst sich ein zweiter niedriger Gebäudekörper an. Die Behandlung des
Ganzen, mit Rustikastreifen an den Ecken und Rundbogenfenstern zwischen diesen, erinnert an Bra-
mante. Das Rathaus zu Winterthur (1872) zeigt einen höheren Mittelbau mit Flügelbauten gruppiert;
dem Mittelbau ist ein Portikus und Freitreppe vorgelegt. Die dachlosen Flügelbauten stimmen indes
schlecht zum Mittelbau; und überhaupt ist der Rathauscharakter nicht getroffen. Auch im Innern
genügen Haupttreppe und Ratssaal in der Durchbildung nicht. Die in der Zwischenzeit in Zürich
entstehenden Entwürfe für ein Festtheater in München, für das neue Hoftheater in Dresden, an Stelle
des abgebrannten, für die Hofmuseen, den Burgneubau, das Hofschauspielhaus und die Börse in Wien,
führten Semper wieder auf die alte ruhmvolle Bahn zurück. Das Festtheater in München ist nach
Richard Wagnerschen Ideen entworfen, im Anschlüsse an den Theaterbau in Bayreuth. Das Audi-
torium bildet ein im Segmentbogen abschliessendes Oblong mit amphitheatralisch aufsteigenden Sitzen und wird
auf 3 Seiten von Säulenhallen begrenzt. Vor dem Auditorium zieht sich das gleichfalls bogenförmige Foyer hin,
mit einer Exedra in der Mitte; das Orchester ist in einer Versenkung zwischen Auditorium und Bühne unter-
gebracht; die Bühne ist von Proscenien eingefasst. Das Theater kam nicht zur Ausführung. Im neuen Hof-
theater zu Dresden (1871-1878), dessen Bau S emper von Wien aus leitete, behielt derselbe die Segmentform