XXXIII MEISTERHOLZSCHNITTE XXXIV
falls frühes, aber vermöge seiner Bezeichnung unzweifelhaft
achtes Blatt des Ugo da Carpi, das Claisobscur sHer-
cules, der den Neid aus dem Tempel der Musen vertreibta
nach Baldassare Peruzzi zeigt in der noch ziemlich engen
Behandlung des Schnittes der schwarzen Platte unverkenn-
bare Aehnlichkeiten mit dem hl. Thomas. Ugo da Carpi
kam ziemlich zeitig, etwa um 1506 nach Venedig. Es ist
nicht undenkbar, dass beide auch gelegentlich ein Werk
gemeinsam ausführten. Später, um 1518, finden wir Ugo
da Carpi in Rom, wieder neben Marcanton und nach den-
selben Raphaelischen Compositionen arbeitend wie er.s
Tafel 142 8: 143. Giuseppe Nicola Vicentino, Holz-
schneidet aus Vicenza in der ersten Hälfte des 16. jahr-
hunderts, Schüler des Parmeggiano, nach Maturino, Schüler
Rafaels, gest. in Rom an der Pest 1527. Die Flucht der
Cloelia. Cloelia flieht mit ihren Begleiterinnen aus dem
Lager des POrsenna. In der Mitte sitzt sie selbst zu Pferde
und hält eine Genossin, der eine dritte aufs Pferd hilft.
Links sieht man einzelne Zelte des feindlichen Lagers.
Clairobscur von zwei Platten, in der linken Ecke ein
Täfelchen mit den Namen des jos. Nic. Vicentino und des
Maturino. Spätere Abdrücke zeigen statt des Namens des
Vißßntino das Zeichen des Andrea Andreani und die Jahr-
zahl 1608. Vgl. Bartsch, Peintregraveur 12, p. 96, Nr. 5.
Orlginal (h. 285 mm, br. 425 mm) im kgl. Kupferstich-
kabinet zu München.
Tafel 144 8c 145. Francesco Denanto, Formschneider
aus Savoyen, in der ersten Hälfte des 16. jahrhunderts
in Venedig thätig, nach Girolamo da Treviso. Christus
heilt den Gichtbrüchigen. Vgl. Passavant VI, p. 213. An-
dresen, Handbuch für Kupferstichsammler I, p. 344, Nr. 4.
Reproduction nach dem Exemplar des Herrn Dr. Alfred
Brettauer in Triest. Original h. 542 mm, br. 370 mm.
Ein anderes Exemplar im l{upferstichltabinet zu Dresden.
Tafel 146. Andrea Andreani, geb. zu Mantua 1540,
gest. 1623, nach Andrea Mantegna. Blatt 8 aus dem
Triumphzug des Cäsar, der, jetzt in Hampton court be-
findlich, 1492 von Mantegna für das Theater im Schlosse
zu Mantua gemalt wurde. Andreani erledigte den ihm vom
Herzog Vincenzo Gonzaga ertheilten Auftrag, den grossen
Fries des Triumphes Caesars durch den Holzschnitt mit
mehreren Platten zu vervielfältigen, in den Jahren 1598l99
und das Resultat war ein bewundernswürdiges Meisterstück.
Die aus 9 von 4 Platten gedruckten Blättern bestehende
Folge gehört zu den merkwürdigsten Formschnitten des
16. Jahrhunderts. Die malerische Wirkung ist in Andreanis
Werken nicht so pikant als in denen des Ugo da Carpi,
der eine ganz verschiedene Richtung verfolgte und im
Uebereinanderdrucken von mehreren Tonplatten ohne alle
Anwendung einer Strichplatte besondere Stärke bewies.
Der Andreanischen Behandlung des Helldunkels liegt stets
eine Strichplatte zu Grunde, der zwei oder mehr Platten
in dunkleren oder helleren Tönen aufgedruckt sind.
Andreani war ein fleissiger Künstler und legte grossen
Werth auf saubere correcte Technik. Seine Werke, selbst
seine besten, haben etwas Trockenes, und in Vergleich
mit dem kecken flüchtig skizzirenden Verfahren des Ugo
da Carpi erscheint seine Manier zahm und frostig; aber
sie ist sorgsamer, gleichmässiger, und zeigt eine Sicherheit
und Bestimmtheit, die gegen das bei Ugo da Carpi viel-
fach vorkommende Klecksige und Verschwornrnene v0rtheil-
haft abstechen. Zu den 9 Blättern mit dem Friese kommt
noch ein Titel- und ein Schlussblatt. Das erstere zeigt, von
3 Platten gedruckt, die Büste des Herzogs Vincenzo Gon-
zaga von Mantua mit dem Lorbeerkranz auf einem Consol,
und unter diesem Bilde eine vielzeilige Inschrift. Das
Schlussblatt hat das Monogramm des Andreani und die
Jahrzahl 1598. Der dedicatorische Titel schliesst mit
den Worten: Bernard. Malpitius Pict. Mant. F. Mantuae
MDXCVIIII, und Bartsch schliesst daraus, dass B. Malpizzi
Mantegnas Fries wenigstens in Helldunkel gezeichnet,
wenn er nicht zugleich auch die Umrisse unmittelbar auf
die Holzplatten gemacht hätte. Allein wir wissen durch
Zani, dass der Maler Malpizzi auch einen Kunsthandel trieb,
und der Schluss der Inschrift berechtigt daher eher zu der
Annahme, dass der Buchstabe F nicht Fecit sondern Formis
bedeutet. Es wäre daher die Adresse des Verlegers in
einer Form, wie sie zu jener Zeit öfter vorkommt. Vgl.
E. Koloff in Meyers Künstlerlexikon I, p. 724. Das vor-
letzte, hier veröffentlichte Blatt der Folge zeigt vorn eine
Anzahl Musikanten mit Leier, Tamburin und Dudelsack,
dahinter bekränzte Standartenträger mit Sinnbildern von
Städten und Ländern, unter ihnen auch einen Krieger der
deutschen Legion mit dem Bilde der WVölfm Roms. Die
hintersten schauen sich um nach dem Helden des Tages,
der in dem letzten Blatte auf hoher Biga sitzend dargestellt
ist. Vgl. Bartsch, Peintregraveur XII, p. 102, Nr. 8. Ver-
kleinerte Reproduction nach dem Exemplar des Münchener
Kupferstichkabinets. Original h. 365 mm, br. 370 mm.
Tafel 147. Niccolo Boldrini nach Tirian, Venus und
Amor. Unten die Inschrift: Titianus inv. Nicolaus Bold-
rinus Vicentinus incidebat 1566. Bartsch XII, p. 126,
N0. 29. Original 310 mm, br. 232 mm. Reproduktion
h. 230 mm, br. 165 mm. Es ist urkundlich bezeugt, dass
Tizian während des Winters 1565f66 hauptsächlich mit
der Ueberwachung der Arbeiten des Cornelis Cort und
Niccolo Boldrini beschäftigt war, die in seinem Auftrage
einige seiner beliebtesten Werke in Kupfer stachen und in
Holz schnitten. Zur Durchführung des Unternehmens hatte
er vom Rathe der Zehn ein Monopol für diese Blätter
erbeten, das ihm im Februar 1566 ausgefertigt wurde.
Niccolo Boldrini von Vicenza scheint fast immer nach
venezianischen Meistern gearbeitet zu haben und wird wohl
mit Recht für Tizians Schüler gehalten. Malpe, Malaspina
u. A. lassen ihn um 1510 geboren sein. Einen urkund-
lichen Anhaltspunkt über die Zeit seiner Thätigkeit gibt
es ausser der Jahrztihl 1566 des hier publicirten Blattes
nicht. Zwei andere Holzschnitte ein junger Mann zu
Pferd nach Pordenone und ein Johannes Evangelista in
einer Landschaft enthalten nur den Namen Boldrini,
aber keine Jahrzahl; das auf Tafel 44 publicirte Blatt mit
dem jungen Bauer zu Pferd hat die Jahrzahl 1566, aber
keine Namensangabe. Doch kann stilistisch kaum ein
Zweifel darüber sein, dass es gleich den beiden folgenden
Tafeln ebenfalls von Boldrini herrührt.
Tafel 148 und 149. Niccolo Boldrini nach Tirian.
Grosse Gebirgslandschaft, rechts vorn eine Kuhmelkerin.
Vgl. Passavant, Peintregraveur VI, p. 242, Nr. 96;
Andresen Handbuch für Kupferstichsammler I, p. 149,
Nr. 7. Original h. 373 mm, br. 520 mm im kgl. Kupfer-
stichkabinet zu München.
Tafel 150. Niccolo Bnldrini nach Tirian, Der Affen-
laokoon. Vgl. Passavant, Peintre-graveur IV, p. 243,
N0. 97. Original h. 280 mm, br. 410 mm. Das Blatt
ist archaelogisch von grossem Interesse. Bekanntlich wurde
der Laokoon im Jahre 1506 in den Thermen des Titus
in Rom gefunden. Das grosse Aufsehen, welches die
merkwürdige Gruppe erregte, geht aus zahlreichen Repro-
ductionen hervor, unter denen der Stich des Marco Dente
besonders wichtig ist, da er die Gruppe noch vor der
Ergänzung in dem Zustande darstellte, in welchem sie ge-
funden wurde. In Tizians Zeichnung, die vermuthlich
während seines römischen Aufenthaltes im Jahre 1545[46
entstand, würden wir die zweitälteste Reproduction der
Gruppe vor uns haben. Hier sind die fehlenden Theile
bereits ergänzt, und man wird trotz einiger Differenzen
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