Volltext: Meister-Holzschnitte aus vier Jahrhunderten

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MEISTERHOLZSCHNITTE 
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dritten ist Arthus, Karl der Grosse und Gottfried von 
Bouillon dargestellt. Bisher wurde die Folge den zweifel- 
haften Blättern des Lucas van Leyden beigezählt. Vgl. 
Bartsch, Peintregraveur VII, p. 442, Nr. 15; Th. Vol- 
behr, Verzeichniss der Kupferstiche des Lucas van Leyden, 
Hamburg 1888, p. 51, Nr. 198. Die Autorschaft des Jacob 
Cornelisz (ein weiteres Blatt desselben auf Tafel 138) er- 
gibt sich aus van Manders Schilderboeck ed. Haerlem 1604, 
Fol. 207 b. Die Höhe jedes Blattes beträgt 313, die Breite 
503 mm. Unsere verkleinerte Reproduction ist nach dem 
Exemplar des Brüsseler Kupferstichkabinets hergestellt. 
Tafel 134 und 135. Lucas van Leyden: Das römische 
Volk verspottet den Virgil, den eine Courtisane in einem 
Korb zum Fenster herausgehängt hat, Bartsch VII, p. 443, 
N0. 16. Original h. 410 mm, br. 290 mm. 
Tafel 135a. Lucas van Leyden  Der heilige 
Rochus, rechts auf einem Hügel unter einem Baume sitzend, 
spricht mit dem links vor ihm stehenden Engel. Ringsum 
läuft eine Bordüre mit einem Zug nackter Kinder, von denen 
das letzte links ein Täfelchen mit der jahrzahl 1550 trägt. 
Der äusserst seltene Holzschnitt wird gewöhnlich dem Lucas 
van Leyden zugeschrieben und hat in der That mit den 
bezeugten Blättern des Meisters viel Aehnlichkeit. Die 
Bordüre wäre also, da Meister Lucas schon 1533 starb, 
erst später beigefügt. Vergl. Nagler, Monogrammisten IV, 
p. 251, Nr. 16. Original in der Kunsthalle zu Hamburg. 
Originalgrösse. 
Tafel 136 und 137. [an Swart von Groningen (geb. 
1469, hielt sich nach Lomazzo und van Mander eine Zeit- 
lang in Venedig auf, war später in Gouda ansässig und 
starb dort 1535). Die Schiifspredigt Christi. Monogramm 
links unten. Vgl. Bartsch, Peintregraveur VII, p. 492; 
Passavant III, p. 14; Bucher, Geschichte der technischen 
Künste I, p. 417. Im Anschluss an das Monogramm 
dieses Holzschnittes hat A. Bayersdorfer s. Z. das Bild der 
Münchener Pinakothek bestimmt. Original h. 240111111, 
br. 363 mm im kgl. Kupferstichkabinet zu München. 
Tafel 138. jacob Cornelisg, geb. in Oostsanen im 
Waterland, Maler in Amsterdam im ersten Viertel des 
16. jahrhunderts, dessen noch nicht gelöstes, aus j W V 
zusammengesetztes Monogramm früher willkürlich auf Jan 
Walter van Assen gedeutet wurde. Die Grablegung Christi. 
Gehört zu einer Folge von 12 Blättern zur Leidensgeschichte, 
die zum Theil mit 151 1, 1512 und 1514 datirt sind. Vgl. 
Bartsch, Peintregraveur VII, p. 445, Nr. 11; Passavant, 
Peintregraveur III, p. 24; Bucher, Geschichte der tech- 
nischen Künste I, p. 417. Originalgrösse. Reproduction 
nach dem Exemplar des Münchener Kupferstichkabinets. 
Tafel 139. Monogrammist C. G. St. Hieronymus. 
In einer Klosterzelle sitzt an reichgeschnitztem Tische 
schreibend der Heilige, zu dessen Füssen der Löwe liegt. 
An der Wand hängt ein Vogelbauer, der Cardinalshut und 
eine Anzahl verschiedener Instrumente; auf dem obern 
Mauergewölbe liest man 1520 CG. Das Blatt befindet sich 
in der berühmten niederdeutschen Bibel nBiblia dudesche, 
die 1520 bei Ludwig Trutebul in Halberstadt erschien. 
Vgl. Muther, Die deutsche Bücherillustration der Gothik 
und der Frührenaissance, München 1884, p. 246; Muther, 
Die ältesten deutschen Bilderbibeln, München 1883,N0. 15 ; 
Bartsch, Peintregraveur VII, p. 472; Nagler, Monogramm- 
isten II, p. 989 N0. 2795. Original h. 195 mm, br. 
195 mm. Reproduction nach dem im Besitze des Herrn 
W. L. Schreiber in Franzensberg befindlichen Exemplar. 
Tafel 140. Peter Brueghel der Aellere, genannt Bauern- 
brueghel, geb. bei Breda um 1525, gest. in Brüssel um 
1569. Die Maskerade, vielleicht als vVertreibung des 
Winters durch den Frühling: oder als vVertreibung des 
Faschingdienstags durch den Aschermittwoch: aufzufassen, 
nach Nagler Künstlerlexikon II, p. 131 auch unter dem "Titel 
nDie Geschichte von Ousson und Valentint bekannt. Das Blatt 
ist trotz seiner Rohheit als einziger bekannter Holzschnitt des 
Bauernbrueghel von grossem Interesse. Original (h. 265 nun, 
br. 415 mm) im kgl. Kupferstichkabinet zu München. 
Tafel 141. Marcantonio Raimondi und Ugo da Carpi, 
Der ungläubige Thomas. Aus den vEpistole et evangelii 
volgalpiß trenedig 1512, Das Buch ist sehr selten. Ein 
Exemplar benndet sich im Besitze des Herrn Albert H. Huth 
in London, ein zweites in der Biblioteca Maruccelliana in 
Florenz. Original h. 282 mm, br. 176 mm. Das Blatt, 
das von Lippmann in den Jahrbüchern der k. preussischen 
Kunstsammlungen I p. 270 publicirt und besprochen wurde, 
ist in mehr als einer Hinsicht von Interesse. Durch Marc 
Anton wurde bekanntlich der italienische Kupferstich, 
durch Ugo da Carpi der italienische Holzschnitt seiner 
Vollendung entgegengeführt, und beide Künstler hätten 
sich, wenn wir der Argumentation Lippmanns folgen, in 
ihrer Jugend auch einmal zu einem gemeinsamen Werke 
die Hand gereicht. Der Bilderschmuck der 1512 in Venedig 
erschienenen xEpistole et evangelii volgarict setzt sich aus 
sehr verschiedenen Bestandtheilen: aus älteren Holzstöcken 
und neu dafür angefertigten Illustrationen zusammen. Der 
auf Blatt 4 befindliche wHeilige Thomasa gehört zu den 
aus dem älteren Vorrath herübergenommeneti Stöcken. 
aMarcanton, den wir sonst hauptsächlich als Kupferstecher 
fremder Werke kennen, erscheint hier wie in mehreren 
anderen Werken seiner früheren Epoche als der erfindende 
Künstler. Allerdings waren beide Arten des Schaffens bei 
ihm ja nie so scharf getrennt wie etwa bei einem Stecher 
der neuern Zeit. Wo er nach fremden Erfindungen sticht, 
gibt er unbedenklich eigene Zuthaten hinzu und wo wir 
annehmen müssen, seine eigene Schöpfung vor uns zu 
haben, ist sie bei näherer Betrachtung aus Reminiscenzen 
an Werke anderer Künstler zusammengewoben. Auch das 
vorliegende Blatt ist aus Entlehnungen zusammengesetzt. 
Vielleicht war für die Figuren die den ungläubigen Thomas 
darstellende Bronzegruppe des Verrocchio an der Aussen- 
seite des Orsanmichele von Einfluss. Der Typus der Figur 
Christi ist aus der Dürer'schen kleinen Holzschnittpassion und 
aus dem Marienleben entnommen, nur verflacht, der heilige 
Thomas gemahnt in etwas an den Engel, der den Teufel 
in den Abgrund sperrt, aus dem Schlussblatt der Dürer- 
schen Apokalypse, und wie bei vielen Blättern Marcantons 
ist der Hintergrund im Charakter der Dürefschen Berg- 
und Seelandschaften gehalten. Die Art der Ausführung 
des Schnittes ist sehr vollkommen. Die sich den Körper- 
formen anlegenden Striche sind klar und bestimmt, die 
Kreuzlagen rein und durchsichtig und die kleine landschaft- 
liche Partie einfach aber sehr verständig behandelt, die 
Haltung des Blattes energisch und einheitlich. Dass Marc- 
anton diesen Schnitt selbst ausgeführt habe, ist kaum 
anzunehmen, da er, wäre er mit dem Holzschneiden vera 
traut gewesen, seine Copien nach den Dürefschen Holz- 
schnitten kaum auf der Kupferplatte ausgeführt haben würde. 
Sehen wir uns nach den im Anfange zwischen 1500 bis 
1512 in Venedig arbeitenden Holzschneidern um, so scheint 
es, dass wir vor Allen auf Ugo da Carpi hingewiesen 
werden. Ihm ist die kräftige, energische Haltung, der feste 
Zug der freien körperformenden Striche und die eigen- 
thümlichen durchsichtigen Kreuzlagen in den Schatten am 
ehesten verwandt. Wohl hat Ugo in seinen Hauptwerken 
noch eine weit freiere und breitere Behandlung angenom- 
men, so gut wie Marcanton später in der Umgebung von 
Raphael den Quattrocentisten abstreift; aber so gut der 
hl. Thomas eine verhältnissmässig frühe Arbeit Raimondis, 
so ist er auch  wenn der Schnitt von Hugo da Carpi her- 
rührt  ein frühes Werk dieses Künstlers. Ein anderes eben-
	        
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