MEISTERHOLZSCH
ITTE
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Berlin, Grote, p. 376) auf Hans von Kulmbach hingewiesen,
kann es wohl als sicher gelten, dass wir in dem Blatte
den einzigen bekannten Holzschnitt dieses bedeutenden
Malers zu sehen haben, da nicht nur das Monogramm das
Gleiche ist wie auf dem Nürnberger Bilde des Meisters,
sondern auch die Composition des Holzschnittes mit einem
der Krakauer Bilder Kulmbachs vielfach übereinstimmt. Der
im Jahre I 5 I6 gemalte Johannescyklus in Krakau umfasst
bekanntlich fünf Bilder, von denen sich vier das Abend-
mahl, die Scene mit dem Vergifteten vor Aristodemus,
Johannes im Oelkessel und die Vision auf Patmos in
der Florianilzirche befinden, während das fünfte grössere
wie Johannes vor den Augen der Gläubigen in's Grab
steigt in der Marienkirche bewahrt wird. Ueber die
Vision auf Patmos berichtet Solokowski in seiner polnisch
geschriebenen Untersuchung über aHans von Kulmbach,
seine Bilder in Krakau und seinen Meister Jacopo dei
Barbaric auf p. 63 folgendermassen: vDen Schauplatz
bildet eine schöne, von der Welt abgeschlossene, stille
und doch wild romantische Landschaft. Auf der schroffen
Anhöhe links erblicken wir Tannen und Buchen und her-
vorhängende, hie und da mit trockenem und vergilbtcm
Moos behängte Aeste; von nveitem erhebt sich ein mit ab-
gestorbenem Strauchwerk bewachsener Felsen. Zu Füssen
dieser Anhöhe dehnt sich ein dunkles, schlummerndes
Wasser aus, aus Welchem Erdbroclten mit Pflanzenstengeln
hervorragen. Dann folgt in der Mitte eine Rasenfliiche
und in der rechten Ecke des Bildes noch einmal ein Stück
See heller und den Himmel widerspiegelnd aus
dessen Mitte eine kleine blumenbewachsene Insel empor-
ragt, wo eine Eidechse sich in der Sonne wärmt. Von
diesem kräftig in saftigen dunkeln Tönen gemalten Hinter-
grunde hebt sich die erhabene Gestalt des heil. Johannes
energisch ab, der neben dieser Eidechse aussieht wie der
christliche Apollo Sauroktonos, der unter Eingebung des
Himmels und der geheimnissvollen Stimmen der Erde
prophezeit. Den charakteristischen jugendlichen Kopf mit
dem ungeordneten Haare, dem begeisterten Auge und dem
geöffneten Munde hat er erhoben. Sein karmoisinrother
Mantel ist am Halse offen, den unteren Theil der Figur
bedeckt in reichen Falten ein Purpurmantel, unter dem die
nackten Füsse hervorschauen. Er stützt sich mit einem
Knie auf die Erde und schreibt mit der ausgestreckten
Hand unbewusst wie unter dem Einfluss einer unsichtbaren
Macht die Apokalypse in ein im rechten Rahmen ver-
schwindendes Buch. Ueber dem Buche erhebt sich der
Hals und der Schnabel eines schwarzen Adlers; darüber
dehnt sich ein helles, gegen oben sich verdunkelndes Stück
Himmel aus, wo ihm auf der nach unten gekehrten Mond-
sichel, von Sonnenaureole und Sternenkranz umstrahlt, die
Muttergottes mit dem Kinde und anbetenden Engeln er-
SChClULC Es wäre nun durchaus nicht zu erwarten und
würde keineswegs im Charakter der gedankenreichen deut-
schen Kunst liegen, wenn Kulmbach im Holzschnitt nur
einen einfachen Abklatsch seines Bildes gegeben hätte.
Obwohl aus denselben Motiven zusammengestellt, weicht
derselbe vielmehr von dem Bilde der Florianikirche in
Einzelheiten wesentlich ab. Der Heilige, der in beiden
Fällen die rechte Seite einnimmt, ist im Holzschnitt sitzend,
im Bilde knieend dargestellt, ist dort auch mehr begeistert,
verklärt und hat einen anderen Typus. Die ganze, im
Bilde auf schmalen Raum zusammengedrängte landschaft-
liche Composition ist im Holzschnitt noch breiter be-
handelt. Während dort die Landschaft den ganzen Hinter-
grund deckt, ist hier eine weite Fernsicht hinzugekommen,
die durch den grossen Baum rechts, der im Bilde fehlt,
noch mehr markirt wird. Das linke Ufer, dort felsig, er-
scheint hier flacher, so dass viel mehr Luft und Himmel
sichtbar ist. Auch die Seefläche ist hier grösser als im
Bilde, wo sich die lnsel weiter im Vordergrund gegen
links ausbreitet. Die Mondsichel ist im Bilde nach unten
gekehrt und durch feine Tönung der Farben fast zum
Vollmonde umgestaltet. Der theilweise durch den Rahmen
gedeckte Adler auf der rechten Seite des Heiligen und die
Engelchöre oben rechts neben der Madonna sind im Holz-
schnitt nicht vorhanden. Die Falten der Gewänder des
Johannes und der Maria sind, was SiCh aus der Technik
erklärt, im Holzschnitt unruhig und knitterig, im Bilde
mehr flüssig. Vollkommen übereinstimmend ist nur die
Art und Weise der Behandlung der Pflanzen und des
Terrains im Vordergrunde, die Eidechse und ganz be-
sonders die Figur und Bewegung der Maria mit dem
Kinde, das ganz direct aus dem Bilde in den Holzschnitt
oder umgekehrt übertragen zu sein scheint. Unsere Repro-
duction ist nach dem im Besitze des Herrn YV. L. Schreiber
in liranzensberg befindlichen Exemplar hergestellt. Original-
grösse.
Tafel 99. Urs Graf. Banner-träger von Underwalden.
Mit weiten Schritten schreitet der Kriegsmann nach links,
die Rechte am Schwertknaufe, in der weggestreckten linken
Faust das entrollte Banner von Unterwalden tragend. Die
Jahrzahl 1521 findet sich unter dem rechten Fusse, da-
neben das Monogramm. Urs Graf, wahrscheinlich als der
Sohn eines 1476 aus Aetingen in Solothurn eingewanderten
Karl Graf ca. 1485 geboren, lässt sich als Zeichner für den
Formschnitt seit 1503 nachweisen und hielt sich offenbar
selbst auf seiner WVanderschaft in Strassburg auf, als er für
den dortigen Verleger Knoblauch die 25 Holzschnitte zum
nText des passions oder leydens Christia zeichnete. Das
hier reproducirte Blatt ist Nr. 3 einer vom Jahre 1521
datirten Folge von 16 Bannerträgern, wozu sich 10 Silber-
stiftstudien im städtischen Museum zu Basel befinden. Vgl.
Berthold l-laendcke, Die Bannerträger der dreizehn alten
Orte nach den Holzschnitten Urs Grafs. Aarau 1893.
Originalgrösse.
Tafel 100. Urs Graf. Bannerträger von Basel. Kokett
die Linke auf die Hüfte gestemmt, steht in Rückenansicht
der kraftvolle junge Bursche mit scharfer Profilwendung
des Kopfes nach rechts. Die Fahne mit dem Baselstabe
und der Verkündigung breitet sich vor dem Träger aus.
Die Jahrzahl 1521 unterhalb des linken Fusses. Nr. 11
der von Haendcke publicirten Folge. Originalgrösse.
Tafel 101. Peter Flötner, Bildhauer und Zeichner in
Nürnberg, "l" 1546. Eine Bettlade mit prächtiger Verzier-
ung. Original im königl. Kupferstichkabinet zu Dresden.
Vgl. A. Lichtwark, der Ornamentstich der Frührenaissance,
Berlin 1888, p. 157.
Tafel 102. Derselbe. Eine reichverzierte Thürein-
fassung. Original im kgl. Kupferstichkabinet zu Dresden.
Die Unlrahmung einer geöffneten Thür ist durch einen
Giebel bekrönt, in dem ein Medaillon mit einem weiblichen
Kopfe sichtbar ist. Der Fries ist wechselnd aus dem
palmettenartigen Blatt und einem Laubkelch gebildet. Die
Pilasterfüllungen bestehen aus Vasenaufbau und Laubwerk.
Durch die geöffnete Thür sieht man in eine Küche, in
der am Herde eine Frau einen Kochlöffel an den Mund
führt. Auf der Schwelle befindet sich das Monogramm
P. F., am Boden der Küche die Werkzeuge. (Dresden,
Wien, Paris Sammlung Foulc.) Aus dem Vitruv des
Rivius, Nürnberg 1548. J. Reimers Peter Flötner nach
seinen Handzeichnungen und Holzschnitten, München 1890,
N0. 55.
Tafel 103. Derselbe. Eine reich verzierte Thürein-
fassung. Original im kgl. Kupferstichkabinet zu Dresden.
Die Umrahmung einer Thür, welche von einem im Zim-
mer stehenden Manne geöffnet wird, ist bekrönt durch