Volltext: Meister-Holzschnitte aus vier Jahrhunderten

X1 MEISTERHOLZSCHNITTE XII 
nung nOpus JaCObia steht auf einem an dem abgeschnit- 
tenen Baumstamm rechts angehefteten Cartellino; auf der 
Schnittfläche des Baumstammes liegt ein Zirkel. Der Holz- 
schnitt, der vermuthlich die römischen Cardinaltugenden 
darstellt, ist die Umbildung eines antiken Hippolytos-Sar- 
kophags und zwar desjenigen Typus, der unter den er- 
haltenen Exemplaren am besten von dem Pisaner und dem 
Capuaner Exemplar (Abb. bei Lasinio Tav. LXXIII und 
bei Gerhard, Antik-Bildw. XXVI.) repräsentirt wird. Die 
technische Ausführung des Holzschnittes ist äusserst ge- 
diegen; die beabsichtigte reliefartig-plastische Wirkung des 
Blattes vollkommen erreicht. Der Künstler, welcher die 
Vorzeichnung entwarf, gehört unmittelbar der Richtung 
des Mantegna an, wenn nicht vielleicht eine Zeichnung 
des Meisters selbst dem Holzschnitt zu Grunde liegt. Denn 
trotz der Bezeichnung auf dem Cartellino ist dem Jacobus 
bei diesem Werke keine andere als die Rolle des aus- 
führenden Xylographen zuzuweisen. Der abgesagte Bauin- 
stamm, auf dem das Cartellino befestigt ist, und der Zirkel 
dabei scheinen dies mit anzudeuten. Mit seinem vollen 
Namen aJacob von Strassburge nannte er sich in dem 
grossen 1504 in Venedig herausgegebenen friesartigen 
Holzschnitt, der in 12 Blättern den Triumph des Caesar 
darstellt. Eine weitere Arbeit von ihm und zugleich ein 
weiterer Beleg dafür, dass Jacob von Strassburg nicht als 
erfindender Künstler, sondern nur als Holzschneider zu 
gelten hat, ist der schöne bei Delaborde reproducirte Holz- 
schnitt des Pariser Cabinets, der die Madonna mit den 
Heiligen Rochus und Sebastian darstellt und links die In- 
schrift nBenedictus (Montagna) pinxitcr, rechts die Angabe 
sJacobus fecitct enthält. Vgl. Lippmann, Der italienische 
Holzschnitt im 15. Jahrhundert, in den Jahrbüchern der kgl. 
preuss. Kunstsammlungen V, p. 190. Original h. 290 mm, 
br. 390 mm. Unsere Reproduction ist nach dem im kg], 
Kupferstichkabinet zu Dresden befindlichen Exemplar l1er- 
gestellt. 
Tafel 40, 41 und 41a. Drei Porträts. Anonyme ober- 
italienische  wohl venezianische  Holzschnitte aus der 
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Reproduktion in Original- 
grösse nach den Exemplaren des Pariser Kupferstichlaabinets. 
Tafel 42. Anbetung des Christkindes durch Maria. 
Anonymer oberitalienischer Holzschnitt vom Anfang des 
16. Jahrhunderts, etwa in die Nähe des Gaudenzio Ferrari 
zu setzen. Reproduction in Originalgrösse nach dem 
Exemplar des Pariser Kupferstichkabinets. 
Tafel 43. Das Urtheil des Paris. Anonymer ober- 
italienischer Holzschnitt um 1500. Die Stellung der Göttin- 
nen zeigt mancherlei Aehnlichkeit mit .den1 bekannten 
Dürefschen Blatte, Bartsch 75. Die vorliegende Repro- 
duction ist nach dem Exemplar der Pariser Nationalbibliothek 
angefertigt. Ein weiteres Exemplar befindet sich nach Mit- 
theilung von Dr. Paul Kristeller in der Kupferstichsammlung 
der k. k. Hofbibliothek in Wien (V01. III der alten Italiener) 
und ist hier zusammen mit dem aTod des Curtiuse in 
einer Umrahmung abgedruckt. Nach diesem Wiener Exem- 
plar sind die beiden Blätter von Passavant P. G. V p. 88 
n. 65 beschrieben, der sie irriger Weise dem Zoan Andrea 
Vavassori zutheilt. Von Cicognara sind sie p. 188 u. 238 
erwähnt. Originalgrösse. 
Tafel 43 a. Monogrammist ] B (wahrscheinlich ein deut- 
scher Meister der Augsburger Schule): Illustration aus: Il 
Petrarca; spirituale da Hierimo Maripetro, fratre minori- 
tano. Venetiis, Fr. Ivlarcolini 1536. 4". Brunet IV, p. 569). 
Originalgrösse. Das Monogramm JB haben bekanntlich 
Heller, Passavant und Nagler in sehr verschiedener YVeise 
zu deuten versucht. Zu den einzigen bisher bekannten zwei 
Blättern (Bildniss Schwarzenbergs und Anbetung der Hirten, 
Nagler I, 1888, 1 u. 2) kamen in neuerer Zeit noch vier 
Holzschnitte mit diesem Monogramme hinzu: Reiterbildnisse 
in Fol., die sich 1887 im Besitze von H. G. Gutekunst 
in Stuttgart befanden  ziemlich roh in der Ausführung 
und zweifellos italienischen Ursprungs. Das hier publicirte, 
bisher nirgends beschriebene Blatt  Petrarca und seinen 
Commentator darstellend  scheint das Verbindungsglied 
zwischen jenem Porträt Schwarzenbergs und diesen Reiter- 
bildnissen zu sein. Da es unzweifelhaft deutschen Charakter, 
ja speciell den der Augsburger Schule trägt, so lässt sich 
nunmehr mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass 
der deutsche Meister, der 1531 das Bildniss Schwarzen- 
bergs anfertigte, bald darauf nach Italien wanderte und 
1536 für Marcolini in Venedig arbeitete. Während das 
vorliegende Blatt noch ganz von deutschem Geiste beseelt 
ist, weist die  wahrscheinlich später angefertigte  An- 
betung der Hirten nach Tizian im Schnitte schon italienische 
Einflüsse auf, und die erwähnten Reiterbilder dürften eben- 
falls aus dieser spätern Periode stammen. 
Tafel 43 b. Porträt. Rückseite des vorigen Blattes, und, 
obgleich ohne Monogramm, wohl von derselben Hand her- 
rührend. Beide interessante und seltene Blätter wurden uns 
von Herrn J. Wünsch in Wien zur Verfügung gestellt. 
Tafel 44. Nicole Boldr-ini nach Tizian. Ein junger 
Bauer zu Pferd durch eine Landschaft reitend mit einem 
Hasen über der Schulter; Links unten auf einem Stein 
die Jahrzahl 1566. Vergl. Bartsch, Peintregraveur XII. 
X, 22, Original im Kupferstichkabinet zu Paris. Original- 
grösse. Interessant, weil es darauf hinweist, dass Tizian 
ohne Zweifel den ähnlichen Kupferstich Martin Schon- 
gauers kannte. 
Tafel 45. Aus der französischen Ausgabe der 
Hypnerotomachia Poliphili, Paris, Jacob Kerver 1546. Die 
Illustrationen der französischen Umarbeitung sind freie Kopien 
der in Venedig bei Aldus Manutius 1499 erschienenen 
Originalausgabe und zum Theil sehr reizend in den Stil 
der Lyoner Kuustweise des 16. Jahrhunderts übertragen. 
liirmin Didot schreibt sie in seinem Werke über Jean 
Cousin diesem Künstler zu. Vgl. Georges Duplessis, 
Histoire de la gravure, Paris 1888, p. 335. Original im 
Pariser Kupferstichltabinet. Originalgrösse. 
Tafel 46. Albrecht Dürer  Die Himmelfahrt der heiligen 
Magdalena. Die Heilige, swelcher viel vergeben wurde, weil 
sie viel geliebte, schwebt von Engeln getragen zum Himmel 
empor. Der junge Körper der schönen Frau wird von 
ihrem reichen losen Haare bedeckt. Unten breitet sich 
eine grossartig concipirte Landschaft aus. Vgl. Bartsch VII, 
p. 141, Nr. 121. VOriginalgrösse. 
Tafel 47. Albrecht Dürer: Bildniss des kaiserlichen 
Rathes Ulrich_Varnbü1er von 1522, das grösste und be- 
deutendste Porträt, Welches Dürer in Holzschnitt veröffent- 
lichte. Bartsch 155, Heller 1952, Thausing, II. Aufl, 
II, 268. Varnbüler, ein gelehrter Freund von Erasmus 
und Pirkheymer, war seit 1507 Protonotarius beim Reichs- 
kammergericht und traf auf dem Reichstag zu Nürnberg 
1522 mit Dürer zusammen. Damals entstand die mit 
bräunlicher und schwarzer Kohle ausgeführte, jetzt in der 
Albertina in Wien befindliche Originalzeichnung, welche 
dem Holzschnitt als Vorlage diente. Varnbüler erscheint 
im Brustbild, nahezu im Profil, auf dem Haupte das Haar- 
netz und darüber den mächtigen Hut mit breiter, ge- 
schlitzter Krämpe. In einer lückenhaften Inschrift erklärt 
Dürer, wer wolle denjenigen, den er einzig lieb habe, auch 
der Nachwelt bekannt machen und damit auszeichnene. 
Die besonders geschätzten Helldunkeldrucke des Holz- 
schnittes mit zwei Tonplatten stammen übrigens nicht von 
Dürer selbst, sondern erst aus dem 17. Jahrhundert und 
aus Holland, wohin der Holzstock später gekommen war. 
Auf den wenigen Exemplaren, deren Papierrand erhalten
	        
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