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Tafel 32 und 33. Aus joa. de Kellmm nFasciculus
Medicinaecr, Venedig 1493. Hain 9776, Choulant p. 18 H.
Rivoli, Bibliographie des livres a Iigures Venitiens, Paris
1892, p. III. Lippmann, der italienische Holzschnitt im
1 5. Jahrhundert, Jahrbücher der k. preuss. Kunstsammlungen
V. p. 183. Originalgrösse. Zeigt der florentinische Holz-
schnitt eine gewisse Anlehnung an den Kupferstich, so
besteht der Charakter des venezianischen darin, dass er
möglichst streng den Charakter eines zarten Fcderentwurfs
zu wahren sucht. In strenger Konturmanicr wird er ledig-
lich dazu verwendet, um eine einfache Umrisszeichnung
ohne Licht- und Schattenwirkung darzustellen. Und zwar
wird diese feine, etwas magere Behandlungsweise mit
dünnen Linienzügen nicht nur für Vignetten (z. B. die
kleinen Blätter der Malermibibel), sondern auch bei grösseren
Schnitten angewendet, wofür das hier publicirte Blatt aus
dem berühmten medicinischen Handbuch des Ketham ein
gutes Beispiel ist. Ein deutscher, in Italien lebender Arzt,
Johannes Ketham, hatte einen nFasciculus de Medicinae
aus den gebräuchlichsten medicinischen Schriften der Zeit
compilirt und zuerst 1491 lateinisch, dann 1493 in italie-
nischer Uebersetzung und reicherem künstlerischen Gewande
bei den Gebrüdern Johannes u. Gregorius de Forlivio er-
scheinen lassen. Ausser den rein technisch-medicinischen
Abbildungen enthält die Ausgabe drei die Folioseite ein-
nehmende Blätter, von denen das hier reproducirte einen
Pestkranken auf seiner Lagerstätte darstellt. Ringsum stehen
mehrere Personen, darunter zwei Männer mit Räucherfackeln
in der Hand. Der ganze Charakter der Composition er-
innert unverkennbar an venezianische Bilder. Während in
Florenz von den tonangebenden Grössen der Malerei sich
keiner mit dem Holzschnitt befasste, ist in Oberitalien die
Xylographie in wirksame Beziehung zur Malerei getreten,
und Lippmann irrt wohl nicht, wenn er die Zeichnung
einem dem Gentile Bellini nahestehenden Künstler zuweist.
izDie Figuren, etwa 12-15 cm. hoch, sind von gediegener
Bildung, namentlich der Köpfe. Die Composition zeigt
eine ruhige fast reliefartige Anordnung, die mit dem strengen
einfachen Konturschnitt vortrefflich harmonirt. Durch das
Ganze geht ein Zug von jenem feierlichen Ernst, den die
venezianische Kunst bei Darstellung bedeutsamer Vorgänge
so vortreffllich zum Ausdruck zu bringen weissxc
Tafel 34. Der phallische Kultus. Aus der sI-Iyp-
nerotomachia Poliphilie , Venedig, Aldus Manutius 1499.
Hain Repertorium bihliographicum Stuttgart 1826-38
Nr. 5501, Renouard Annales de Pimprimerie des Alde,
Paris 1834 p. 21; Brunet, Manuel du libraire, Paris
1860-80, IV. 778, Duc de Rivoli, Bibliographie des
livres ä figures Venitiens, Paris 1892 p. 207. Vgl. auch
Fiorillo, kleine Schriften, Göttingen 18o3,I, 153. Alb. Ilg,
Ueber den kunsthistorischen Werth der Hypnerotomachia
Poliphili, Wien 1872. Lippmann, a. a. O. p. x99. Original-
grösse. Die Holzschnitte der Hypnerotomachia Poliphili
bezeichnen den Höhepunkt des venezianischen Kontur-
schnittes des Quattrocento. Dieses kostbare, viel erörterte
Buch, das der nachmalige Franziskanermönch Francesco
Colonna um 1467 schrieb, ist ein allegorisch-visionärer
Roman, zu dessen Abfassung angeblich das unglückliche
Liebesverhältniss des Autors zu einer in's Kloster einge-
tretenen Dame den Anlass gab. Wie Dantes Beatrice, so
wird Ippolita, im Roman vPOliae genannt, Führerin des
Autors in einem Traumland, das er an ihrer Hand als
sLiebender der Poliae, als aPOliphilOz durchwandert.
Dieses Fabelland, das Poliphilo und Polia durchziehen, ist
das Reich der classischen Kunst, wie es sich in den Ideen
des Quattrocento malt. Das hier reproducirte Blatt ist
der 71. Holzschnitt des Buches, das Priapfest, eine durch
reiche Gruppirung besonders ausgezeichnete Composition.
19 weibliche und 5 männliche Figuren erscheinen darauf
in reichster Abwechslung der Stellungen. Links in der
Ecke sitzt eine Flötenspielerin, dahinter steht eine andere,
die das Tamburin schlägt. Dann folgt vorn in der Mitte
die schöne Gruppe der Priesterinnen, die dem Gott einen
Esel opfern; zwei knieen auf dem Thiere, dessen Kopf
und Schweif sie emporheben, eine dritte zwischen ihnen
giesst Spende über das blumenumkränzte Opferthier, hinter
ihr harren zwei andere stehend mit den kleinen runden
Fläschchen, in denen sie das aus der Halswunde strömende
Blut aufnehmen wollen, das eine Knieende auf der andern
Seite im Becken auffängt. Hinter dieser Figur eine stehende,
die die Flöte bläst, eine zweite mit Giessgefass. Ueber der
Mittelgrnppe erhebt sich auf einem Altar die Henne des
Gottes mit dem Phallus, oben in das Brustbild desselben,
mit Sense und Schale in den Händen ausgehend, das Ganze
von einem kugelförmigen Baldachin aus laubumwundcnen
Stäben, Zweigen und Guirlanden überwölbt, in dessen Bogen
Ampeln hängen eine Decoration, wie sie auf Bellinis
und Crivellis Bildern häufig vorkommt. Die Frage nach
dem Urheber der Holzschnitte der Hypnerotomachia ist
oft aufgeworfen worden und ihre Beantwortung wäre um
so interessanter, als der Meister jedenfalls der fruchtbarste
und bedeutendste italienische Illustrator des 15.Jahrhunderts
war, dessen Monogramm b nicht nur auf einem der Holz-
schnitte am Anfange der Hypnerotoniachia, sondern in einer
ganzen Reihe xenezianischer Bilderbücher wie der Malermi-
bibel von 1491 und dem Terenz von 1497 vorkommt. Die
von Altersher beliebte Zuschreibung an Giovanni Bellini
kommt der Wahrheit insofern am nächsten, als der Meister
des Polifilo unzweifelhaft der bellinesken Kunstrichtung an-
gehört, nnd hat jedenfalls ebensoviel Wahrscheinlichkeit als
die von Lippmann aufgestellte Hypothese für sich. Denn
die That des Jacopo de' Barbari scheint im Gegentheil darin
zu beruhen, dass er die ältere Weise des Konturschnittes
verliess und den coloristischen Tendenzen der spätern vene-
zianischen Kunst folgend, auch für die Xylographie eine
grossräumigere, effektvollere NVirkung anstrebte.
Tafel 35. St. Antonius von Padua. Italienischer Holz-
schnitt des 15. Jahrhunderts, durch die statuarische Gross-
artigkeit der Auffassung und die Sicherheit der Zeichnung
hervorragend. Ravenna, Biblioteca Classense. Max Lehrs
fand das Blatt mit etwa 25 andern meist italienischen
Holzschnitten in einer lateinischen Handschrift des 1 5. Jahr-
hunderts. Der Grund ist wie bei der Mehrzahl der übrigen
Blätter geschwiirzt. Original h. 330 mm, br. 250 mm.
Tafel 36. St. Johannes Baptista. Italienischer Holz-
schnitt des 15. Jahrhunderts. Ravenna, Biblioteca Classense.
Original h. 330 mm, br. 250 mm. Vgl. die Bemerkung
zum vorigen Blatt.
Tafel 37. Der heil. Hieronymus. Aus Vivaldus „De
Veritate Contricionis", Saluzzo, Signerre 1503. Vgl. Lipp-
mann, a. a. O. V, p. 310. Original b. 250 mm, br. 160 mm.
Die Gebrüder Signerre hatten ihre Officin bis 1498 in Mai-
land, und auch das vorliegende Titelblatt zu dem Werke
des Dominikaners Giovanui Ludovico Vivaldo über die
Echtheit der Busse, das die Gebrüder Signerre 1503 auf
Anordnung und Kosten des Markgrafen Ludwig II. von
Saluzzo drückten, gehört in Zeichnung und Schnitt un-
zweifelhaft der mailändischen Kunstrichtung an, obwohl in
der reichen geschmackvollen Umrahmung wohl auch vero-
nesische Elemente zum Vorschein kommen. Der Schnitt
ist sehr sorgfältig, aber einfach und derb ausgeführt und
erzielt eine geschlossene kräftige Wirkung.
Tafel 38 und 39. Jacob von Strassburg, deutscher
Formschneider, der am Schlusse des 15. und zu Anfang des
16. Jahrhunderts in Venedig thätig war. Allegorische Dar-
stellung mit der Inschrift wlstoria Romanaa. Die Bezeich-