Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP. 
XIV. 
PORTRÄT VON 1545. 
ARETIN'S 
461 
Rede, dass er sein Porträt so skizzenhaft gelassen habe. i" Für 
uns ist diese Bemerkung schlechthin unverständlich, denn wie 
wir das Gemälde in der Galerie Pitti in Florenz sehen, ist es 
ein Wunder von Vollendung. 
Während auf dem Ecce-Homo in Wien die Züge Ai-etin's, 
der dort als Pilatus auftritt, recht gemein erscheinen, ist er hier 
aus der verderbten Atmosphäre herausgehoben und soweit das 
möglich war geadelt. Von Hause aus eine gedrungene kräftige 
Gestalt, nimmt er sich auch damals noch trotz der vorgerückten 
Jahre kräftig genug aus. Aus dem energischen Bogen der Brauen 
und der Stirnbildung spricht Gewalt, aus den grossen dunklen 
Augen feurige Leidenschaft, selbst das mit Grau untermischte 
Haar und die gebleichten Stellen im wohlgepflegten Vollbart thun 
der Straifheit, welche die ganze Erscheinung bewahrt hat, keinen 
Eintrag. Renommist und Federfechter stehen ihm nach wie vor 
auf dem Gesicht geschrieben, aber wenigstens die hässlichsten 
Spuren sind geschickt gemildert und es tritt im Ganzen mehr 
die Schärfe seines Wesens als die Gedunsenheit hervor, die mit 
dem Alter zugenommen hatte. Vom Fieber, das ihn in jener Zeit 
heimsuchte, merkt man nichts, keine Spur von Blässe im Fleisch, 
sondern im Gegentheil gesunde Röthe und etwas von der warmen 
Tiefe der Tonart, wie sie auch bei Rembrandt vorkommt. Die 
bläulichen Stellen unter den Augen verrathen nicht sowohl den 
Schwelger als vielmehr das gallige Temperament. Haltung und 
Colorit des ein wenig erhobenen und nach rechts gewandten 
Kopfes sowie die ganze Positur athmet trotziges Selbstbewusst- 
sein und Geist. Der eine Arm liegt auf dem Rücken, der andere 
auf der Brust und die beschuhte Hand hält die Schaube über 
dem braunen Wamms zusammen. Auf der Brust prahlt anspruchs- 
voll die Ritterkette?"  Dank hat Aretin vom Herzog Cosimo für 
Florenz, 
Galerie 
Pitti. 
54 Aretin an Tizian, Venedig Oktober 1545, Lettere di M. P. Aretino III. 
S. 236.  
55 Florenz, Galerie Pitti N0. 54, Leinwand, lebensgrosses Hüftbild auf dunkel- 
braunem Grunde, der F arhenkörper sehr kräftig. Ein schöner Stich, Gegenseite, 
existiert von F. Petrucci und T. Ver Cruys, welche auch das Bild eines jüngeren 
Mannes unter dem Namen Aretin's gestochen haben. Photographien von Alinari.
	        
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