CAP.
XIV.
SPERONES
DIALOGE.
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Die Gesellschaft ergötzte sich (laran, sein Gespräch über das Glück
vorlesen zu hören, worin das Missgeschick des Kaisers vor Algier
geschildert wird "a; und wie in Carligliones „C0rtigian0" als Mittel-
punkt der Bewunderung Rafael dasteht, so hier Tizian. In einem
andern dieser Gespräche, welches er Tullia, Bernardo Tasse, Nic-
colö Gratia und Molza zusammen über das weltumfassende Thema
„Liebe" führen lässt, spricht Tullia höchst schwungvoll von der
Welt „als dem von der Natur geschaffenen Abbilde Gottes" und
vergleicht sehr abschätzig mit diesem Bilde die Porträts von Malers-
hand, welche nur die äussere Hülle des menschlichen Wesens
zu geben vermöchten. „Ihr seid ungerecht gegen Tizian!"
wirft ihr Tasso leidenschaftlich ein, doch sie erwiedert: "Tizian
halte ich nicht für einen Maler, seine Erzeugnisse nicht für Kunst,
sondern für Wunderwerke. Seine Farben müssen mit dem Safte
jenes geheimnissvollen Krautes gemischt sein, dessen Genuss den
Gla-ukus zum Gott machte; denn mich berühren seine Bildnisse
wie etwas Göttliches, und wie der Himmel das Eden der mensch-
lichen Seele ist, so hat Gott in Tizian's Farben das Paradies un-
seres Sinnenlebens gelegt." "s
Wenigstens fünf von den Mitgliedern des Kreises, der in den
Dialogen des Sperone eine Rolle spielt, sind im Jahre 1545 von
Tizian gemalt worden; ausserdem noch ein unbekannter Freund
Priscianeses Namens Alessantlro Corvinoqw In1 Februar wurde
das Bild Daniel Barbards an Giovio geschickt, den Karl der V.
ständig „seinen Lügner" nannte, während Tizian ihn als Gevatter
bezeichnete. i" Obgleich er damals weder schon zum Gesandten
bei Eduard dem VI. noch zum Patriarchen von Aquileja ernannt
48 s. Dialoghi del Signor Speron Sperone, Venedig 1596, S. 510 und dessen
Dialoge d'Amox-e, Venedig, Aldus 1542, S. 24 und '25.
49 s. den Brief Aretin's an Priscianese, Venedig Februar 1545 in den Lettere
di M. P. Aretino III. S. 97 v. und 98.
W Aretin an Giovio in Rom, Venedig Februar 1545 in den Lettere di M. P.
Arctino III. S. 104. Ein Porträt des Daniele Barbara, mit der Hand auf einem
Buche, befand sich in der Sammlung Hans van Ußel in Antwerpen (s. Ridolfi I.
S. 259). Ihm entspricht das von W. Heller gestochene mit der Inschrift: ,.Titianns
pinxit, Hollnr fecit 1649. Ritratto di Nlonsig-nor della Casa" Vorderansicht eines
kurzhaarigen Mannes mit langem Bart, die Finger der linken Hand auf ein Buch
legend.
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