Volltext: Tizian (Bd. 2)

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TIQSN 
UND 
DIE FARN ESEN. 
CAP 
XIV. 
Während des Jahres 1544 bis gegen Ende des folgenden 
blieben aller Taktik zum Trotz die Bemühungen Tizian's um 
eine handgreifliche Gunst der Farnese erfolglos. Die Schuld je- 
doch lag weniger an Abneigung oder Geiz der hohen Herren, als 
an den politischen Wirrnissen. Der Papst und seine ganze Sippe 
hatten alle Hände voll weltlicher Geschäfte, der Kardinal War 
wiederholt zu diplomatischen Reisen genöthigt und daher nicht 
in der Lage, sich mit den Ansprüchen eines Malers zu befassen, 
der überdies so weit von Rom entfernt lebte. Im Frühjahr hatte 
Franz der I. seine Armee nach Italien geschickt und die Schlacht 
bei Cerisole gewonnen, wo Tiziaifs alter Gönner der Marchese 
de] Vasto tödtlich verwundet wurde. Der Kaiser begegnete dem 
Schlag, indem er seinerseits in Frankreich eindrang; Kardinal 
Alessandro hatte als Legat von einem Heer zum andern unter- 
handelt. Nachdem die Kriegführenden im September zu Crespi 
Friede geschlossen, stiegen Tiziaifs Aussichten auf päpstliches 
Anerkenntniss; wenigstens baute er darauf, als er sich im De- 
oember um das Einschreiten des Kardinals bei seinem Handel mit 
der Geistlichkeit von S. Spirito bemühtefß 
Indessen war es Wohlgethan, neben der immerhin ungewissen 
Hoffnung auf den römischen Hof die ältere und zuverlässigere 
Huld des Kaisers zu hegen. Im Oktober richtete er ein Schreiben 
an Karl den V., worin er ohne Aretinische Weitschweiiigkeiten 
meldete, dass er zwei Bildnisse der verstorbenen Kaiserin Isabella 
vollendet habe: 
„Kaiserliche Majestät! Ich habe dem Seüor Don Diego Men- 
dozza die beiden Bilder der e1'la11cl1te11 Kaiserin übergeben, auf 
den nackten Knaben gestellt hat, zu ihren Fhssen liegt eine Oitrone und ein Korb 
Blumen. Die Behandlungsweise der Ileiligenfiguren ist tizianisch, aber nur im 
Sinne von Schülern des Meisters und erinnert besonders an Orazids Alterswerke, 
was trotz der verblichenen Färbung und trotz des Abblätterns der Fleischtöne und 
der allgemeinen Verdunkelung kenntlich ist. Die Farben sind dünn, aber stumpf 
im Ton, Zeichnung, Modellierung sowie Licht- und Schattenfuhrung sind durchweg 
zu schwach für Tizian. Die Mittelfigur ist nicht sö geschickt behandelt wie die 
Seitentheile; ihre Formen sind schwer und schwammig, die Bewegung geziert, da- 
bei die Farben hart und der Vertrag hastig und locker. Gehören die Bestand- 
theile nicht der Kirchenfahne Orazids an, dann ist diese verloren gegangen, 
43 s. oben S. 434.
	        
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