XIV.
ALTARBILD
FÜR
ROGANZUOLO.
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1546 verständigte sich Tizian mit der Gemeinde von Oastel R0-
ganzuolo zu achtjährigen Ratenzahlungen, wobei die Schuldner
noch die Lieferung der Steine und der Arbeit zum Bau eines
Häuschens übernahmen, welches Tizian sich in der Nachbarschaft
bei Manza herrichten wollte. Voll Entzücken schildert Gilbert
diese ländliche Oertlichkeit. „Man erwartet nicht eben viel, wenn
nran von Ceneda sich dem am lilusse eines kahlen Hügels zer-
streuten Dorfe nähert, über welchem die einsame kleine Kirche
und nahebei der Wartthurm steht. Aber welch' ein Blick bietet
sich
VOll
da
oben!
Unter
dem
Baldaehin
abziehender
Gewitter-
wolken ragten die Julischen Alpen in bleicher Majestät und eine
Fluth goldenen Lichtes ergoss sich über die Ebene, die sich nach
Osten, Westen und Süden endl0s- ausdehnt, ein Meer von Grün,
dessen farbiger Endsaurn die Adria wirklich ist; wie zahllose
Schiffe erscheinen die leuchtenden, überall verstreuten Campanilen,
der fernste von ihnen der Markusthurm.""' Gilbert klagt dann
freilich, ein Blick auf das Altarbild im Innern der Kirche lehre
sofort, dass die Spuren von Tizian's Hand fast ganz durch grobe
Uebermalung vertilgt und überhaupt nur wenig Ueberreste er-
halten seien. Die Wahrheit ist: die Gemeinde von Roganzuolo Roganzuolo.
bestellte 1544 jenes Bild bei Tizian und erhielt 1575 eine Kirchen-
fahne von dessen Sohne Orazio. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dass das erstere anderweit verwendet oder verloren und letztere
an seinen Platz gesetzt ist. Ora.zio's Vertrag bestimmte, dass links
und rechts auf der Fahne Petrus und Paulus gemalt werden sollten,
und diese Beiden finden wir auch wirklich als Flügelstücke auf
dem dortigen Altargemälde vor. Sie sind in Orazio's bekannter
Manier behandelt, während das Mittelbild, Maria mit dem Kinde,
eine geringe Arbeit etwa des Fiumicelli oder des Peccanisio von
Treviso ist. 42
" s. Josuah Gilbert's Cadore S. 29-31.
42 Das Urkundliche über die Beziehungen Tizians und Omzids zu Castel
Roganzuolo geben wir im Anliang unter N0. LXV., LXVI. und LXVIII. Die
Leinwandbilder mit lebensgrossen Figuren sind in stattlichen architektonischen Gold-
Schrein mit drei Rundgiebeln eingesetzt. Rechts steht Petrus mit den Schlüsseln in
der Hand lesend, links Paulus ein Buch in der Linken und mit dem Schwert nach
unten deutend. Maria steht neben einem verzierten Postamentc, auf welches sie