446 112mm um: [DIE FARNESEN. CAP. XIV.
sich bei Paul dem HI. durchzusetzen. Als das Bild fertig war
und Tizian es gefirnisst, stellte er es zum Trocknen auf die Ter-
rasse seines Hauses. Da soll denn die alte Apelles-Geschichte
sich in neuer Form ereignet haben: die Leute, die im Vorüber-
gehen hinaufschauten, lüfteten den Hut in der Meinung, sie sähen
den Papst .leibhaftig. 2'
Neapel. Flotter, aber nicht weniger geschickt behandelte Tizian das
11:52:) Bild des Pier Luigi Farnese, der an Verschlagenheit und skrupel-
losem Egoismus dem Vater nichts nachgab. Im Gemälde aber
sieht der Herzog von Castro gemeiner aus als Paul der 111., auch
verrath er nicht die Schlauheit, die er nöthig gehabt hatte, um
dem Dolch seiner Feinde zu entgehen. All' seiner sittlichen V er-
worfenheit ungeachtet haftete der auffallenden Erscheinung; damals
noch kein Zeichen körperlichen Verfalls an. Sein vertrauter Rath
und Geschäftstrager Caro bezeugt, der Herzog habe niemals eine
bessere Figur gespielt und mehr geistiges Leben gehabt, als eben
damals. '12 Wir sehen ihn hoch aufgerichtet vor einem Pfeiler
und grünem Gehänge stehen. Sein Fleisch ist elastisch und ölig,
die lange Nase wellig gebogen, aber im Ganzen adlermässig, das
kurze Haar und der volle Bart tiefschwarz, die Brauen voll und
scharf gezogen, die dicht an einander stehenden Augen gross und
von treulosem Glanze, die Lippen sinnlich. Er trägt schwarze
Sammetmütze mit goldenen Knöpfen und wcisser Feder, braunen
Pelzkragen über geschlitztem seidenen Wams von Silberdamast,
Pelzvorstoss am Aermel; in der rechten Hand hat er den Her-
zogsstab, die linke am Schwert. Das ganze Gemälde ist mit
leichtem Schwung der Hand ausgeführt und reizt besonders durch
das geistreiche Wechselspiel der Flächen?
Der Kardinal Alessandro in seiner Amtstracht mit Kappe im
Museum zu Neapel fallt merklich ab neben der stattlichen Figur
2' Vasari an Benedetto (Varchi?) in Bottati, Lett. pitt. I. S. 57.
22 Aunibale Caro an Claudia Tolomei, Castro, Juli 1543 in den Lettere fa-
miliari del Commendatore A. Caro, Venedig 1574. vol. I. S. 167.
23 Neapel, Palazzo reale, Holz, lebensgrosses Kniestück, wohl erhalten. Es
1st erwähnt in dem farnesischen Inventar aus dem Jahre 1690 (s. Campari, Racc.
di am. s. 230).