CAP.
XIV
ANERBIETEN
DES
.PIOMBO'
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tragen worden." Tizian wäre sonach bei Annahme jenes päpst-
lichen Anerbietens in die gehässige Lage gekommen, zwei be-
freundete Künstler ihres Lebensunterhaltes zu berauben, was er
begreiflicher Weise abwies. Um so hartnäckiger richtete er sein
Begehren auf das in Aussicht gestellte Benefizium. Dieses viel-
umworbene Kleinod, um welches noch so oft gesprochen und
geschrieben wurde, War die Abtei S. Pietro in Colle im Sprengel
'v0n Ceneda, welche Giulio Sertorio, Abt von Nonantola und Erz-
bischof von S. Severino „in commendam" besass. Zur Aufgabe
der Pfründe gepresst, hatte er seinen Bruder Antonio Maria mit
Wahrnehmung seines Interesses in Bologna beauftragt und mit
diesem traf der Kardinal Farnese ein Abkommen, das er nach-
mals dem Sertorio brieflich einschärfte. Ehe jedoch eine Gegen-
erklärung darauf erfolgen konnte, hatte sich der Kardinal, ohne
Tizian irgendwie zu verständigen, in Folge eines Fieberanfalles
über Hals und Kopf aus Bologna hinwegbegeben. Sein Sekretär
Bernardino llIaÜei besuchte den Meister, um ihm diese unerfreu-
liche Nachricht zu bringen, tröstete ihn aber gleichzeitig ob-
wohl er wusste, dass das Gegentheil der Fall war mit der
Behauptung, Monsignoi- Giulio habe bereits seinen Verzicht auf
die Abtei in Colle zugesagt. Bei der Heimkehr nach Venedig
gab Tiziaxi nun in einem Briefe vom '27. Juli 1543 dem hohen
Gönner sein Bedauern über den üblen Zufall kund; die plötz-
liche Abreise Sr. Eminenz habe ihm eine schlechte Nacht be-
reitet, auf welche sicherlich ein schlechter Tag und ein böses
Jahr ("Malanno ohne Zweifel eine Anspielung) gefolgt wären,
hätte ihm nicht Maüei am andern Morgen die frohe Botschaft
von der bevorstehenden Erledigung der Pfründe gebracht. m
Aber Monate vergingen und die Bestätigung blieb aus. Ti-
zian konnte mit Musse über die trügerischen Hoffnungen nach-
denken, welche ihn zu zeitraubenden Reisen veranlasst und,
wie sich nun herausstellte, es dahin gebracht hatten, dass eine
15 s. Maniago, Storia delle belle arti Friulane, 2. Ausg., Udine 1823, S. 355,
und vgl. die ausführliche Schilderung dieses Verhältnisses in der Verfasser Gesch.
der ital. Malerei. deutsche Ausgabe von Jordan, Band V1. S. 410 H".
16 Der vollständige Wortlaut des Briefes in Ronchinfs Relazioni S. 3 und 4.
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