CAP.
XIII.
DECKENBILDER
FÜR s.
SPIRITO.
ß
Obgleich nach 1543 und an Stelle eines andern von der
Geistlichkeit zurückgewiesenen Bildes, also mit grösserer Erfah-
rung in derartiger Vortragsform gemalt, bietet doch "die Aus-
giessung des heiligen Geistes" bei weitem nicht das packende
Interesse der eben beschriebenen Darstellungen, wie sie auch
durch Alterseinfluss und Uebermalung Eintrag erfahren hat. Die
,Mzrrien" und die zwölf Jünger sind in gewölbtem Raume ver-
sammelt, welcher vom Lichte der herabschwebenden Taube und
den Feuerilocken auf den Häuptern der Erwählten wiederglänzt.
Im Mittelpunkt steht die Jungfrau und gibt mit kräftiger Gebcrde
ihren Dankgefühlen Ausdruck, während die Apostel in verschie-
dener Weise knieend, sitzend und stehend den Eifer der Ver-
zückung offenbaren. Kein früheres Werk des Meisters macht in
solchem Grade das unmittelbare Festhalten der momentanen Er-
scheinung der Natur im Bilde bemerklich. Man sieht nur solide
Farbenmassen in breitem Licht- und Sehattenzug; die Umrisse
verschwinden fast ganz, die Gegenstände werden ohne Liniament
blos durch sich selber begrenzt vermöge des reichen und öligen
Tones bei höchst spärlicher Modellierung aber feinstem Wellen-
spiel der Farbe. So haben wir hier das Musterstück jenes schwung-
voll kühnen Colorits, das Tintoretto und Schiavone bewundernd
nachahmten. M
Venedig.
Sahxte.
In beschränkterem Sinne sind auch die Kirehenväter und Evan-
gelisten würdige Ergänzungen dieser zu jeder Zeit und an jedem
Platze staunenswerthen Leistungenfi Man denkt nicht mehr an
Natur -V0rbilder; sondern Tizian erhebt sich zu schöpferischer
Machtvollkommenheit und erzeugt Wesen voll Leben und Indivi-
dualitat, die ihren Maasstabin sich selber tragen. Es ist nicht
schadhaft. Ihm wie allen übrigen ist durch schlechten Firniss die Wirkung ge-
nommen. Gestochen von I. M. Mitellus, Lefebre und gegenseitig von G. Saiter.
"4 Am Altar der vierten Kapelle in der Salute. Besonders der obere Theil
des Bildes ist durch Nachbesserungen beschädigt; dass es später als die übrigen ent-
standen ist, lehrt der Stil. Die gesammten Deckcnstücke haben über lebensgrosse
Figuren. Gestochen ist die Ausgiessung von N. R. Coehin. Zu einer sehr ähn-
lichen Composition besitzt das Florentiner Museum eine Zeichnung in Feder und
Sepia, angeblich von Tizian selbst, doch ist die Handweise offenbar moderner.
65 Jetzt ebenfalls in der Salute im Chor hinter dem Hochaltar. Matthäus ist
das Porträt Tizians mit dem Pinsel in der Hand.
Venedig.
Salute.