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TIZIAN'S HEIMWESEN.
Gnu
XIII.
nach Mailand mitnahm, und Gian Battista Torniello bekam die
Versicherung, das von ihm bestellte, aber aus Missfallen Wieder
zurückgeschickte Bild der "Geburt Christi" (welches nachmals
lange Zeit über'm Altar des heiligen Joseph im Dom zu Novara
gehangen hat) sei vom Meister wieder vorgenommen und "erhalte
prächtige Zuthatenf"
Tizian seinerseits benutzte die schöne Gelegenheit, um neue
Porträts zu malen und seine Ansprüche auf den kaiserlichen Schatz
in Erinnerung zu bringen. Karl gab ihm einen Gnadenbrief, der
ihm ein Jahresgehalt von 100 Dukaten, zahlbar an der mailän-
dischen Hofkasse verliehßö Wie lange er sich damals in Mai-
land aufgehalten hat, ist uns ebensowenig bekannt wie die Art
seiner dortigen Verrichtungen im Einzelnen. Im Oktober war er
wieder zu Haus und that sich in gewohnter Weise bei guter Ge-
sellschaft und splendider Pflege gütlich. Das Triumvirat hatte
sich nach Beitritt Marcolinfs, des literarischen Verlegers, zu einem
Klub "Academia" erweitert, der abwechselnd im Hause zu Biri
und in Aretin's Palais am grossen Kanal tagte oder nächtete."
In Tizian's Atelier stand bis gegen Ende dieses Winters ein
grosses Altarbild mit der „Herabkunft des heiligen Geistes",
welches die Priesterschaft von S. Spirito-in-Isola bei ihm be-
stellt hatte. Schon in früheren Jahren war er für diese geist-
liche Genossenschaft thätig gewesen, die jetzt mit Rücksicht auf
ihre von Sansovino prächtig ausgebaute Kirche auch moderneren
malerischen Schmuck brauchte. a" Das Unternehmen missglückte
35 Aretin's Brief vom 6. August 1541 besagt, die "tavola" sei übermalt und
durch Einfügung des Schutzheiligen von Torniellds Heimath (des heiligen Gau-
denzius von Novara in Waifenschmuck) nebst zwei Engeln statt der Cherubim ge-
ziert (s. Lettere di M. P. Aretino II. S. 308 An seiner ehemaligen Stelle in
Novara. sah es Lomazzo, der es in der Idea del Tempio S. 141 erwällnt- Jetzt ist
es verschwunden.
36 Die Urkunde der Verleihung ist nicht auf uns gekommen, doch wird sie
in einer späteren angezogen, von welcher wir noch zu reden haben; vgl. Gaye,
Carteggio II. S. 369.
3' a. Leone Aretinds Brief aus Genua, den 23. März 1541, in den Lettere
a M. P. Aretino I. S. 357 und den Brief Aretin's an Pigna vom 11. Oktober dieses
Jahres (Lettere di M. P. Aretino II. S. 244).
38 Vasari XIII. 33, Sansovino, Ven. descr. S. 229.