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TIZIAN'S
HEIMWESEN.
CAP. XIII.
einem der ersten Ausgabe seines Werkes von 154i) beigegebenen
Briefe geschildert: "Am 1. August war ich zur Feier eines Baccha-
nalfestes, dem sogenannten "Ferrare Agostof ein Name, den
ich trotz des Gespräches, das während des Abends darüber ge-
führt wurde, nicht zu erklären vermag in dem freundlichen
Garten des Messer Tizian Vecellio eingeladen, des Weitbekannterl
treiflichen Malers, welcher überdies ganz der Mann ist, durch
sein fein gebildetes Wesen jede gewählte Unterhaltung zu würzen.
Gleich und Gleich gesellt sich gern, und so waren denn noch
einige der hervorragendsten Persönlichkeiten der Stadt bei ihm
versammelt, von den Unsrigen in erster Reihe Pietro Aretin,
dieses neue Naturwunder, ausserdem Messer Jacopo Tatti, ge-
nannt Sansovino, der ein eben so grosser Nachahmer der Natur mit
dem Meissel ist wie unser Gastfreund mit Pinsel und Farben,
dann Jacopo Nardi und ich, sodass ich in so erleuchteter Reihe
die vierte Stelle einnahm. Ehe die Tische herausgetragen wurden,
da die Sonne trotz des Schattens im Garten sehr empfindlich War,
verbrachten wir einige Zeit in der Betrachtung der vorzüglichen
Gemälde, mit denen das Haus erfüllt ist, und unterhielten uns
über den ganz ausserordentlich reizend angelegten Garten, der
unser Aller Bewunderulng erregte. Er liegt am äussersten Ende
Venedigs am Strand der Lagune und man sieht von dort die
anmuthige Insel Murano und andere freundliche Nachbarschaft.
Gleich nach Sonnenuntergang Wimmelte das angrenzende Gewässer
von zahllosen Gondeln mit schönen Frauen darin und bis tief in
die Nacht hinein genossen wir die Klänge der Musik von Instru-
ment und Kehle bei einem höchst appetitlichen Abendbrod. Aber
ich kehre zum Garten zurück. Er war so trefflich angelegt und
wurde daher so vielfältig gepriesen, dass die Aehnlichkeit, die
er mit der reizenden Einsiedelei von S. Agata zu haben schien,
meine Gedanken mit Sehnsucht nach Euch, liebste Freunde, er-
füllte, und ich hatte den Rest des Abends wirklich Mühe, mir
klar zu machen, ob ich in Rom oder in Venedig sei. Inzwischen
wurde das Abendessen gebracht, das eben so reich und ausge-
sucht als lecker zubereitet war. Zu delicaten Speisen und köst-
lichen Weinsorten gab es all' die Genüsse und Freuden, welche