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TIZIAN'S VERWANDTE.
CAP.
XXII.
Recht zur Herausgabe eines Stiehes, benannt „ Anbetung des Namens
Jesu ertheilte? Sodann haben wir ein Zeugniss seiner Praxis als
Lentiai. Wandmaler in den Gemälden der Pfarrkirche zu Lentiai zwischen
Pfa"ki"che'Belluno und Feltre. Die getäfelte Decke daselbst enthält zwanzig
Darstellungen aus dem Leben der Jungfrau, deren Urheberschaft an
zwei Stellen bezeugt ist; auf dem Bilde der Darbringung im Tempel
steht: "CÄESARVECELIVS und an einem andern Orte: nCjESAR-
VECEL PINX T ET LACO GONSTANTINI IVVENIS D. C. 1578".
Auch die Gurtbögen der Decke malte Cesare mit biblischen Gegen-
ständen grau in grau aus, aber sie sind sämmtlieh verkratzt und
anderntheils durch Alter, Vernachlässigung und Uebermalung entstellt.
Diese Sachen nun zeigen im Allgemeinen angemessene Gruppie-
rungen und gute Behandlung der Perspektive. Die menschliche Ge-
stalt ist durchweg gross, muskulös und fleischig gebildet, sodass der
Eindruck herkulischer Erscheinungen entsteht, die Ausführung ist iiott
und hastig, die Farbe saftig, der Fleischton tief und mit den schwarzen
Schatten modelliert, die eher an Schiavone und Tintoretto als an
Tizian erinnern. Cesare war offenbar ein begabter Mensch und stand
zu Tizian ähnlich wie Giulio Romano zu Rafael, als unternelimender,
aber im Ganzen etwas seichter Schüler eines grossen Meisters.
Lßntiai, In etwas anderer Form und wahrscheinlich in Gemeinschaft mit
PfamiicheAtelier-genossen Tizian's ergeht sich Gesare, den wir hier ebenfalls
vermuthen, in etlichen Bildern derselben Kirche, besonders in den
Gemälden am Hochaltar, die noch jetzt seinem Meister zuge-
schrieben werden. Hier haben wir eine "Assunta "t, Welche in der
Linienführung dem Gemälde Tizian's im Dom zu Verona entspricht,
sodahn "Christus im Grabe von Engeln gehalten", ähnlich der gleichen
Darstellung in der Kirche zu Sedico, sowie eine Reihe Heiliger in
ganzen und halben Figuren: Petrus, Paulus, Johannes den Evange-
listen und einen Bischof, Georg, Antonius, Magdalena und eine Mär-
tyrerin.
Was sich bei dem ganz verrotteten Zustand dieser Leinwand-
bilder noch erkennen lässt, ist Tizianische Behandlungsweise verquickt
mit Eigenheiten des Francesco, Marco und Oesare Vecelli. In den
Figuren herrscht Anspannung, kühne Geberdensprache und Manig-
faltigkeit des Ausdruckes bei grosser und fieischiger Körperbildung
Lentißi- vor, in einer Weise, Welche auf Tizian's Einfiuss, wenn auch nur auf
einen mittelbaren, durch Cesare Vecelli hindeutet. Ein anderes
grosses Leinwandbild in Lentiai, „ Christus als Todter mit den Marien
trägt die Buchstaben G. V. P. mit der Hinzufiigung „REFICIATO
SOTTO IL S" ANDREA CRISTINI". Trotz seiner schlechten Er-
haltung macht das Bild die Frage rege, ob Oesare nicht einmal unter
dem Eindruck der Schule Parmigianinds gestanden hat. welcher auch
Schiavone eine Zeit lang sich zuneigte. Jedenfalls gewähren die ge-
Den vollen Wortlaut enthalten die Dr.
Jacobfschen Handschriften in Gadore.