hoch 1,38 M., breit, 1,93 Maria halt den nackten Knaben, wel-
cher auf ihrem Schenkel steht und von Johannes dem Täufer gestützt
mit der Mutter den Blick einer jungen Frau in weiss-seidenem Kleide
zuwendet, die mit niedergeschlagenen Augen und anscheinend in ge-
segnetem Zustand mit der Linken den herabgleitenden Mantel fasst
und mit der Rechten eine Büchse darbringt; zwischen ihr und Maria
steht weiter zurück und ganz beschattet der heilige Paulus in grossem
Vollbart mit dem Schwerte, hinter beiden zu ausserst rechts und halb
vom Rücken gesehen der weissbärtige Hieronymus mit rothem Mantel
in den Anblick des Krucifixes vertieft, welches er emporhält; den
Ilintergrund auf dieser Seite bildet der Sockel eines saulengetragenßn
Gebäudes, zur Linken ein grosser grüner Vorhang und zwischendurch
sieht man lichten Himmel mit weissem Gewölk. Dieses mit Recht 33'
feierte Bild von leuchtendem und kräftigem Tone ist meisterlich alle
prima auf weissen Gypsgrund gemalt, welcher hier und da, z. B. lI1
den Fleischpartien, als Lichtfarbe mit benutzt ist, die Zeichnung ist
sicher, ohne überall richtig zu sein. An Tizian erinnert am meisten der
Typus, die Formbehandlung und das Colorit des Jesusknaben, dessen
Köpfchen mit Strahlen in Rautenform umleuchtet ist; das Antlitz
Marias erinnert entfernt an die Assunta in der venezianischen Aka-
demie, aber weder sie noch der Knabe haben den eigenthümlichen
Liebreiz echter Tizianischer Gestalten. Das jugendliche Weib in durch-
sichtig zartem Teint und blondem Haar, welches aufs Geschmack-
vollste mit lichtviolettem Bande aufgebunden ist, erscheint zwar über-
aus graziös, allein eine gewisse Anwandlung von pikantem Ausdruck
ist nicht zu leugnen, wie auch andrerseits die zarten Gesichtszüge
mit dem kräftigen Bau der Figur nicht ganz im Einklang stehen.
Ebenso bilden der kurzhalsige untersetzte Paulus und der fast 11er-
kulische Täufer mit seiner mulattenhaften Hautfarbe einen etwas zuge-
suchten Gegensatz zu der weichen, beinahe palmesken Gestalt Maria s,
als dass man hier an Tizian festhalten sollte. Im Ganzen betrachtet
erscheint das Bild als eine Mischung seines Stils mit dem des Seba-
stian del Piombo. Die Behandlungsweise, die Formgebung, die kühne
aber nicht immer zutreffende Faltenbehandlung deuten jedoch auf 6111611
anderen Urheber. Die Modellierung ist nicht eingehend genug für
den grossen Meister; wir vermissen seine Feinfühligkeit in den Ueber-
gängen der Halbtöne, die Durchsichtigkeit seiner Schatten, Welche
hier im Gegentheil fast ebenmässige dunkle Massen bilden. Zum Tllßil
mögen allerdings diese Eigenthümlichkeiten auf Uebermalungen zu-
rückzuführen sein, welche keineswegs fehlen; so hat das Proül der
anbetenden Frau Einbusse erlitten und das Gesicht des Paulus ist
stumpf und schwer geworden; allein der Gesammtcharakter des Bildes
spricht sich dennoch genügend aus. Wir halten es für ein sehr
schönes Erstlingswerk des Andrea Schiavone, aus der Zeit da
er in Tizian's Atelier arbeitete. Für Tizian selbst ist das Werk
nicht gleichmässig und trotz seiner hohen Schönheiten nicht reif genug-
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