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TIZIAN
PORDENONE.
UND
CAP.
XII.
Vgneäls: In dem Tobiasbilde zeigt sich dieselbe Kunst wie auf dem
hilixmo. Gemälde in S. Giovanni Elemosinario, das Pordenonels Neid
erregte. Die Anmuth und Lebendigkeit des Engels, der gleich
einer römischen Victoria Von grünlichen Schwingen getragen
vorwärtsschreitet, werden durch die Pracht der rothen Tunica
erhöht, die vermittelst eines Gürtels an seine Hüften geknüpft
in herrlichem Faltenwurf sich auf den Boden senkt. Ausser-
ordentlich schön sind der ausgestreckte rechte Arm und die
Hand, welche das Gefäss hält. Auf dieses scheint die Auf-
merksamkeit des jungen Begleiters gerichtet, der im Wandern
und staunenden Aufschauen scheu darnach hinzeigt. Sein warm
braunes Gewand, der weisse Aermel und die gelbe Beinbeklei-
dung stimmen wundervoll zu den Farben des Engels und dem
blauen Himmel. Die Gruppierung kann nicht sprechender ge-
dacht werden: obgleich sich die beiden Gestalten nach links
gegen den Vordergrund bewegen, bemerkt man doch, dass sie
im Begriif sind, sich nach rechts zu wenden; der Beginn der
Schwenkung wird zum Theil durch die Ansicht der Figuren,
zum Theil durch den weissgefleckten Hund angedeutet, der ihnen
vorausgeht. Am Stamme eines Baumes kniet Johannes der Tläufer,
eine markige Männergestalt mit wahrer und freier Geberde. Das
Kreuz an die Schulter gelehnt blickt er zum Himmel empor,
wo ein Sonnenstrahl durch die Wolken bricht und die Weite
Landschaft beleuchtet. Der Farbenkörper ist schwer und dick,
aber von dehnsamem Stoff. Grosse Lichtmassen sind gegen gleich
grosse Dunkelheiten gesetzt und mit diesen meisterhaft verschmol-
zen; der Schatten, mit breiten Strichen eines steifen Borstpinsels
von ziemlicher Grösse hingeworfen, scheint da, wo die Wirkung
unmittelbar durch Abminderung und Tönung der Strichlagen zu
erreichen war, keiner Lasierung unterworfen zu seinfß
"i Das Bild, lange Zeit in der Sakristei der Kirche aufbewahrt, hängt jetzt
wieder an seinem ursprünglichen Platze über dem Altar, links beim Eintritt; es ist
auf Leinwand gemalt, die Figuren lebensgross; alter Firniss und Alterseinüuss
geben ihm jetzt ein sehr düsteres Aussehen. Eine alte Oopie befindet sich in der
Dresdener Galerie unter No. 234. Es ist in den Sammlungen von Patina und
Lovisa gestochen. Vasarfs Angabe XIII. 21, dass es 1508 entstanden sei, ist augen-