698 ECHTE BILDER: OESTREICH. an. XXI.
Auch die Benennung dieses Porträts ist zweifelhaft, aber es hat vor-
zügliche Eigenschaften, lebhafte keckblickende Augen und grossartige
Haltung. Die Farben sind mit steifem Impasto auf der derben Lein-
wand aufgetragen; es gehört der Zeit um 1550 an. Leider bemerkt
man in der Nähe des Gesichtes frische Farbenflecken.
Wien, Belvedere: Lucretia, welche sich erdclcht. Halb-
Figur eines Weibcs in lockigem blonden Haar und blossem Nacken,
ganz von vorn gesehen, den Dolch gegen ihren Busen zückend. (Lein-
wand 3 F. 2 Z. zu 2 F. 4 Z.) Ein gestreifter Schleier auf der einen
Schulter und dunkelrother Ueberwurf mit Pelzkragen auf der andern
nebst weissem Aermel bilden die Kleidung. Das Bild ist stark ab-
geputzt und sehr beschädigt. Vor einigen Jahren las man die In-
schrift „sibi Titianus pinxit" auf dem dunklen Grunde unterhalb des
Armes mit dem Dolch. Nach den unberührten Stellen zu schliessen
gehört das Bild in Tizian's spätere Zeit, doch ist es anscheinend eine
seiner hervorragenden Leistungen gewesen.
Wien, Galerie Harrach: Der heil. Sebastian lebensgross in
einer Nische emporblickend, die Hände auf den Rücken gebunden,
um die Hüften ein weisses Tuch, ein Pfeil in der Brust, ein anderer
im linken Bein; die Wölbung der Nische hat Mosaikschmuck mit
einer griechischen Inschrift, von welcher noch die Buchstaben "oly-
mog" kenntlich sind. (Leinwand, auf Holz übertragen.) Die Haltung
der Figur ist schön, die Ausführung erscheint Tizian's würdig. Der
Ueberlieferung nach befand sich das Bild ehedem in der Sakristei
von S. Maria della Salute in Venedig, da jedoch die Sammlung
Harrach theils aus Neapel theils aus Spanien stammt, so ist wahr-
scheinlicher, dass das Bild zu denen gehörte, welche sich früher im
Escurial befunden haben (s. A. Hume, Tizian, S. 82).
Frankreich.
Paris, Louvre JYO. 460: Maria mit dem Kinde, der heil. Agnes
und dem jugendlichen Johannes. (Leinwand h. 1,57 M. br. 1,60 M.,
jedoch an der linken Seite angestückt.) Die Jungfrau sitzt rechts
an einem Pfeiler vor einem Vorhang, der Jesusknabe steht segnend
auf ihrem Schooss, während sie nach der heiligen Agnes blickt,
welche vor ihr niedergeworfen mit der Linken eine Palme darreieht
und mit der Rechten das durch Johannes herbeigeführte Lamm strei-
chelt; im Hintergrund Landschaft im Charakter von Caävre- Die
grossen entwickelten Formen, die markierten Umrisse und scharfen
Töne lassen vermuthen, dass Cesare Vecelli Antheil an dem Bilde
hat, dessen Färbung zwar reich und gut modelliert, aber nicht so har-
monisch ist wie sonst. Das Bild stammt aus der Sammlung Lud-
Wig's des XIV; es ist bei Landon in Umriss gestochen und von
Braun photographiert.