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TlZlAN'S TOD.
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kreuzigten" beigesetzt werde, für die sein letztes Bild bestimmt
gewesen war. Am 28. August erschienen die Domherren von
S. Marco in S. Canziano, der Leichnam ward feierlich zu den
Frari geleitet und an der Stelle versenkt, wo dankbare Bewun-
derung der Nachwelt ein mächtiges Marmordenkmal dem Einzigen
zu Ehren aufgerichtet hat.
Als Perugino an der Pest starb, wurde er in der Stille auf
dem Felde eingescharrt, den geliebten Meister Ghirlandaio, der
ebenfalls der ansteckenden Seuche zum Raub fiel, trug man im
Dunkel der Nacht hinweg Tizian aber, dessen Kunst Wie die
Sonne geleuchtet hatte über der königlichen Stadt, ward am
hellen Lichte des Tages "zu seiner letzten Ruhestätte gebettet,
der Noth der Zeit zum Trotz festlich gleich einem Fürsten. Er
ruht in der Nahe einer seiner grössten Schöpfungen, der Madonna
des Hauses Pesarom
Die venezianische Künstlerschaft hatte eine grossartige Be-
stattungsfeier beabsichtigt, ähnlich derjenigen, welche zwölf Jahre
vorher in Florenz beim Tode Michelangelds stattgefundenf", aber
s0lch' eine Unternehmung Verbot das öffentliche Elend, das seinen
düstern Schatten auch über das Haus des Todten warf, wo plötz-
lich nach jahrzehntelangem Glück die Grauel der Verwüstung ein-
zogen. Es ist nicht festgestellt, ob Orazio noch zu des Vaters Leb-
zeiten ebenfalls an der Pest erkrankte, aber er starb unmittelbar
nach ihm und zwar nicht unter dem eigenen Daehe, sondern im
Lazareth am Lidofß Die Wohnung in Biri Grande blieb unter
diesen Umständen unbewacht; Diebsgesindel brach ein und ehe
Pomponio der schlimme Erbe oder die Sicherheitswache da-
zwischentreten konnten, war ein grosser Theil des kostbaren
Hausrathes gestohlen und zerstreut ein hässliches Satyrspiel
menschlicher Gemeinheit an geheiligter Stätte.
und
III
6' s. die urkundlichen Belege bei Cadorin, dollo amore S. 74, 95 und 102
vgl. Borghini, Riposo, Sieneser Ausgabe von 1787 (die erste erschien 1584)
S. 89.
"s. Ridolü I. 275.
63 Cadorin a. a. O. S. 95-98.