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OAP.
der Eindruck einer Grösse und einer Tonfülle entsteht, welcher
unterstützt durch die gediegene Mannigfaltigkeit der Technik, alle
Tizianischen Produkte dieser Zeit übertrifft. Solche Einheit künst-
lerischer Mittel und Zwecke musste Männern wie Rubens, van
Dyck und Rembrandt imponieren; jene beiden haben das Bild
sicherlich studiert, denn sie copierten es nahezu in ihren in
Madrid und Berlin befindlichen Oompositionen desselben Gegen-
standes; und Rembrandt hat es möglicher Weise in den Nieder-
landen gesehen, wo es angeblich eine Zeit lang aufbewahrt
worden ist. Ihm würde auch die Methode des Vortrages sym-
pathisch gewesen sein; sie ist das gerade Gegentheil von der-
jenigen der "Allegorie von Lepailto namentlich in der An-
wendung hautig Wiederholter schwerer und satter Schichten und
in der Brechung der Tinten mittelst reiner Grundfarben oder
prächtiger Accente, die mit grösster Energie zu verschiedenartiger
Flächenbeschadenheit verwirkt sind. m
Zeugt es einerseits von Tizian's ungemeiner Fruchtbarkeit
und Leistungskraft, wenn er derartige Werke bei sich behielt,
so beweist es zugleich, welchen Werth er darauf legte, eine
Anzahl besonders tüchtiger eigener Arbeiten stets um sich zu
haben. Sein Haus in Biri Grande war den Zeitgenossen als eine
Art permanentes Ausstellungslokal bekannt und. wurde als solches
von Fremden besucht, umsomehr, als der Weltruhm des Meisters
reisende Fürstlichkeiten und Staatsmänner anzog, die nicht selten
sogar auf wichtigen politischen Sendungen einen Umweg machten,
um ihn kennen zu lernen. Wir erwähnten bereits, dass die Signorie
43 München, Alte Pinakothek N0. 1329, vordem in der Galerie zu Sehleiss-
heim (Leinwand h. 8 F. 772 Z., br. 5 F. 7 WVie bemerkt, soll das Bild aus
den Niederlanden gekommen sein, doch steht dies nicht fest; sieher ist nur die
Echtheit desselben. Ilüchst wahrscheinlich war es dasselbe, Welches dem Tintoretto
gehört hat und welches (nach Bosehini, R. Min., Vorwort) von Domcnico Tintorctto
an "einen Fremden" verkauft wurde. Es zeigt ausgedehnte Uebermalung z. B, am
Profil des Mannes rechts, an den Händen des im Hintergrunde Stehenden, welcher
die Ruthe hält, am Kopfe des Soldaten mit der Streitaxt, am Körper der Figur
links und an der rechten Seite des Gesichtes Christi; manche dieser Retouchen
sind jedoch so trefflich, dass man an Rubens oder van Dyek denken kann. Die
freie Nachbildung, welche Rubens davon machte, befindet sich im Madrider Museum
unter N o. 496 (alte Nummer), die des van Dyck im Berliner Museum unter No. 770.