676 LETZTE WERKE. CAP. XX.
Lepanto, durch welche die türkische Armada gänzlich vernichtet
und die ganze Christenheit mit unendlichem Jubel erfüllt ward.
Der Befehlshaber des venezianischen Geschwaders Sebastian Venier
sandte seinen Kapitän Giustiniani mit der Siegesbotsehaft nach
Venedig. Am 17. Oktober Abends 6 Uhr lief er in den Pass
von Martino ein; sein Schiffsvolk schwenkte türkische Fahnen
und seine Ruderer waren mit Beute beladen. Blitzartig verbreitete
sich die Kunde; alles Pulver, das nur aufzutreiben war, wurde
zu Ehren des grossen Ereignisses in Feuerwerk aller Art ver-
pufft, Männer und Frauen (lurchschwärmten die Strassen in aus-
gelassener Freude, Giustiniani wurde im Triumphe nach S. Marco
geführt, wohin der Doge und der Bath nebst den fremden Ge-
sandten sich im Pomp begaben, um das Te-Deum zu hören. Alle
Laden wurden geschlossen und an manchen sah man die Kreide-
Inschrift: „Geschlossen wegen des Todes der Türken". Das
Schuldgefangniss wurde erbrochen und die Gefangenen befreit,
damit sie Theil nehmen könnten am allgemeinen Jubel." Der
alte Tizian hat sich wohl auch in das Festgedrange gewagt,
denn zum blos passiven Zuschauer war er trotz seiner fünfund-
neunzig Jahre zu geistesjung. Und dieser grosse Tag der Re-
publik sollte nun auch durch ihn verherrlicht werden. Kaum
zwei Wochen waren verfiossen, als die Signorie schon darauf
dachte, eine Darstellung der Schlacht malen zu lassen. Am
8. November vereinigte sich der Rath zu folgendem patriotischen
Beschluss: „Wenn je eine That vergangener Zeiten würdig war,
im Bilde vorgestellt und im Gedächtniss des Volkes lebendig
erhalten zu werden, so verdient eine solche Auszeichnung der
Sieg der heiligen Ligue über die Flotte der Türken." Die
Obersten der Zehn wurden demgemäss ermächtigt, in Venedig
oder anderwärts einen oder mehrere Maler auszuwählen und
durch sie die Schlacht bei Lepanto im Bibliothekssaale des
Dogenpalastes malen zu lassen." Ridolli erzählt, diesen ehren-
vollen Auftrag habe Tizian erhalten und Salviati sei ihm als
40 s. den zeitgenössischen Bericht bei Yriarte, Vie d'un patricien de Venice,
Paris 1874, S. 208 f.
41 Den Erlass gibt Lorenzi a. a. O. S. 372.