Volltext: Tizian (Bd. 2)

674 LETZTE WERKE. am XX. 
Dass Tizian dem venezianischen Gesandten das Bild "Tar- 
quinius und Lucretia" für den König abgeliefert und dieser es 
eingesandt habe, lasst sich nicht füglich bezweifeln, was indess 
seit jenem Tage daraus geworden sei, können wir auf keine 
Weise feststellen. Wahrscheinlich blieb eine Wiederholung in 
Venedig und nach dieser machte vielleicht Oornelius Cort im 
Jahre 1571 seinen Stich. Im siebzehnten Jahrhundert schenkte 
der Lord Marschall Earl of Arundel Karl dem I. ein Gegenstück 
zu dem von Oort gestochenen, und dieses ist in die Galerie 
Ludwig's des XIV. übergegangen. Ob wir nun aber in diesem 
das Bild haben, Welches nach Spanien kam und dann in 
britische Sammlungen weiterwanderte, bleibt ungewissßs In zeit- 
genössischen Aufzeichnungen wird Karls des I. "Lucretia und 
Tarquinius" als entstellt beschrieben, nach Lepiciäs Katalog war 
82313122 das Bild "sehr beschädigt  Die "Lucretia" der weiland Samm- 
Hmford lung Northwick hat für den modernen Geschmack weder in der 
(Wmaceh Gestalt noch in der Behandlung etwas Anziehendes und die Be- 
schadigungen, die das Bild durch Flecke und Reinigung er- 
litten, sind sehr beträchtlich; trotz alledem erkennt man es 
noch als ein Werk aus Tiziarrs vorgerücktem Alter. Lucretia ist 
beinahe ganz nackt auf dem Ruhebett liegend überrascht wor- 
den und wehrt sich gegen die Angriffe des Mannes in grünem 
Obergewand und rothern Beinklcide, den sie am rechten Arm 
gepackt hat und mit dem 'Dolche bedroht. Links hebt ein 
Mann den Zipfel des grünen Vorhangs auf und guckt verstohlen 
 
35 Tizianellds Anonymus erwähnt das Bild "Lueretia und Tarquinius" in 
Earl ArundePs Besitz, und nach dem Katalog der Sammlung Karls des I. (Ashmo- 
lean MS) erhielt der König ein solches Bild in lehensgrossen Figuren (S F. 3 Z. 
zu 4 F. 3 Z. vom Lord Marschall (Arundel) zum Geschenk (sBathQe S. 96). Beim 
Verkauf der Galerie von Whitehall kaufte es J abach und gab es an Ludwig den XIV. 
weiter (s. Villofs Katalog S. XXII). Lepieie erwähnt es im Louvre 1752-54 und 
schildert es als Leinwandbild von 6 F. Höhe und 51,"2 F. Breite (s. dessen Catalogue 
raisonne, folio, N0. 12 der Bilder Tizians). Auf welche Weise es wieder aus dem 
Louvre entfernt werden, vermögen wir nicht zu sagen; fest steht nur, dass es nicht 
mehr dort ist. Möglicher Weise ist es dasjenige Bild, welches in Joseph Bonapartes 
Besitz wieder auftauchte, aus welchem es durch Kauf an Lord Northwick kam 
(Sammlung Northwick N0. 871). Von da ging es an Mr. Oonyngham über und 
beim Verkauf dieser Sammlung für 250 f an den lliarquis von Hertford.
	        
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