CAP.
BILDERSENDUNG NACH SPANIEN 1571. 673
und Schrecken aufrecht erhaltene Herrschaft in den Niederlanden
kostete enorme Summen, die unfreundlichen Beziehungen zu Frank-
reich mehrten die Ausgaben naturgemäss. Die Türken hatten
Venedig den Krieg erklärt und bedrohten den Frieden Europas
Ungeachtet aller dieser Verwiekelungen sandte Tizian wieder Bil-
der und schrieb im Sommer 1571 den folgenden Brief dazu:
„Mäehtigster und unüberwindlicher König!
Ew. Majestät werden hoffentlich das Bild „Lucretia und
Tai-quinius" erhalten haben, das durch den venezianischen Ge-
sandten überreicht werden sollte. Ich komme jetzt mit diesen
Zeilen, um zu bitten, Ew. Majestät wolle mich gnädigst wissen
lassen, wie es gefallen hat. Die Calamitäten der gegenwärtigen
Zeit, in welcher Jedermann unter der Fortdauer des Krieges
leidet, zwingen mich zu diesem Schritte und nöthigen mich zu-
gleich, einen gütigen Beweis der Huld Ew. lllajestät zu erflehen,
sei es durch eine Zahlung oder auf andere Weise, denn ich bin
seit Jahren nicht im Stande gewesen, meine Pensionen von
Neapel oder auch nur mein gewöhnliches Jahrgeld zu erlangen.
Der Stand meines Vermögens ist in der That so, dass ich nicht
weiss, wovon ich in meinem hohen Alter leben soll, das doch
ganz und gar dem Dienste EW. katholischen Majestät und keinem
Andern gewidmet ist. Da ich seit achtzehn Jahren nicht einen
Quattrino für die von Zeit zu Zeit gesandten Gemälde erhalten
habe, über welche ich mit dieser. Gelegenheit ein Verzeichniss
an den Sekretär Perez sende, so fühle ich mich versichert,
Ew. Majestät unendliche Gnade werde die Leistungen eines alten
Dieners von fünfundneunzig Jahren sorgfältig in Erwägung ziehen
und ihn mit freigebiger Huld beglücken. Indem ich zwei Stiche
von der Zeichnung des Bcato Lorenzo sende und mich em-
pfehle v. . . . .
bin ich Ew. katholischen Majestät
Venedig, den 1. August 1.571.
Ergebenster und unterthänigster Diener
Tiziano Vecellioß"
L
Wortlaut im
den
Anhang N o.
C XXIV