CAP.
XII.
TlZlAN'S
UND ARETINS
VERLEGENHfElTEN.
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Mantua und andere mächtige Persönlichkeiten beleidigt, andere
Satyriker, die ihm an schamloser Frechheit fast gleichkamen,
verfolgten ihn erbarmungslos mit ihren Pasquillen. Zu den So-
netten Berni's kamen noch die des Franco von Benevent, der
sich keine Ruhe liess, bis er nlehr denn fünfhundert Vers-Pfeile
abgeschossen. Diese Angriffe waren für Aretin um so empfind-
licher, weil sich die „Geissel" ihre Geissel selbst erzogen hatte,
denn Franco War sein Schmarotzer. Er hatte den Mann als zer-
lumpten hungernden Fremdling bei sich aufgenommen, ihm Klei-
dung, Nahrung und Wohnung gegeben und seine Dienste als
Schreiber benutzt. Von Tizian war er an Benedetto Agnello em-
pfohlen, und nun wandte sich die Schlange gegen ihre Wohl-
thäterßl Eines Tages begegnete Berni dem Tizian in der Strasse,
und da er es vermeiden wollte, ihn im Vorübergehen zu grüssen,
steckte er seinen Hut in die Tasche. 3" Darauf schrieb er ein
Sonett, in welchem er ihn hölmisch preist, den Aretin gemalt zu
haben und solcher Weise die Niedertracht des ganzen Zeitalters
in dem Raum eines kleinen Bildes zusammengefasst zu habenfg
Aretin antwortete auf diese Pasqirille durch Schmähbriefe,
die er drucken liess und die weit grössere Verbreitung fanden,
als die Giftergüsse seiner Widersacher. Tizian aber erhielt dank
der Protection des Marchese del Vasto Ersatz für seine Verluste
in Medole und Neapel.
Davalos war nach Venedig gesendet worden, um bei der
Einführung des Dogen Pietro Lando zugegen zu sein. i" Er be-
i" s. den Brief Aretin's an Lodovioo Dolce, Venedig 7. Oktober 1539. in den
Lettere di M. P. Aretino II. S. 98, 99.
39 Ebenda.
39 Die Verse sind in Mazuchellfs Vita di P. Aretino S. 141 abgedruckt:
Datevi buona voglia, Tiziano,
E dell" aver ritratto I'Aretin0
Pentir non vi deggiate.
Non manco lodi ve ne saran date
Di quante avete in simile soggetto:
Anzi dassai piü, quanto rinchiuso aggiate
Nello spacio d'un piccolo quadretto
Tutta Tinfamia. della nostra etate.
4" s. den Brief Aretin's an den Kaiser, Venedig 25. December 1539, in den
Lettere di M. P. Aretino II. S. 108 v.