Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP. 
BRIEF AN DEN KARDINAL FARNEEE 
Eßl 
Ergötzlich und bezeichnend für das Geschick, womit Tizian 
Beziehungen mit alten beinahe vergessenen Patronen wieder an- 
zuknüpfen wusste, ist seine Korrespondenz mit dem Kardinal 
Farnese in den Jahren 1567 und 1568. Wir erinnern uns, dass 
er von Karl dem V. eine "naturalezza di Spagna", wie er sich 
ausdrückt, erhalten hatte, d. h. das Heimathsrecht seines Sohnes 
Pomponio in Spanien und damit ein jährliches Einkommen von 
ein paar hundert Dukaten. Zahlreiche Bitten um Auszahlung 
dieser Pension, die Tizian an den König von Spanien gerichtet, 
waren vergeblich gewesen und in einer seiner letzten Rand- 
bemerkungen hatte Philipp erklärt, er wisse von dieser Ange- 
legenheit Nichtsfß So hoffnungslos die Sachlage darnach auch 
sein mochte, wandte sich Tizian dennoch an den Kardinal Far- 
nese mit der Bitte, durch seine Vermittelung bei dem Legaten 
die Forderung zu unterstützen, und in Erinnerung an seine dem 
Farnesischen Hause in früheren Jahren geleisteten Dienste ant- 
wortete der Kardinal in wohlwollendein Sinne. Dadurch ermu- 
thigt schrieb Tizian seinem alten Protektor öfter und benutzte 
die Gelegenheit, welche sich ihm durch eine Reise des Bischofs 
von Nicastro, Gianantonio Facchinetti darbot, um dem Kardinal 
und dem Papst Pius dem V. Bilder zuzuschicken, denen er folgen- 
des Begleitschreiben beifügte. 
Tizian an den Kardinal Farnese. 
„Da Ew. Eminenz mir die Versicherung gegeben haben, dass 
der kürzlich von mir gesandte Brief huldvoll angenommen worden 
ist, so erdreiste ich mich, einen neuen Tribut meiner Dienste dar- 
zubringen, in Gestalt eines Bildes der Büsscrin "Maria Magdalena 
in der Wüste". Ew. Eminenz gaben mir bei früherer Gelegenheit 
zu erkennen, dass Werke meiner Hand gern gesehen seien; darum 
halte ich mich überzeugt, auch dieses werde nicht weniger günstig 
aufgenommen werden. Es ist in meinem hohen Alter gemalt und 
eine Frucht meiner Musse, und ich bitte Ew. Eminenz es an- 
zunehmen als Zeichen meiner Ergebenheit und meines Dienst- 
 
"Letzte Abendmahl" hat sehr gelitten; links im Vordcrgrunde ist ein Hund illlge- 
bracht. der an einem Knochen nagt. 
w s. oben.
	        
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