noch, wie er zuerst die Gestalten in Primärfarben modelliert, sie
verbessert und verstärkt und das Ganze endlich zu reicher Ton-
fülle erhoben hat. Eine unvollendete Copie oder Selbstwieder-
holung des Bildes, die sich ehedem in einem venezianischen
Palaste befunden hat, gab Kunde von Tizian's Beziehungen zu
einem Maler Namens Stefano vielleicht Stefano Rosa, einem
Verwandten jenes Cristoforo Rosa, den wir in Brescia er-
wähntenm was aber aus diesem Gemälde geworden ist, Weiss
man nicht. Noch andere Copien finden sich in den Sammlungen
der Lords Overstone und Ellesmere, welche unsere Vorstellungen
von der ehemaligen Beschaffenheit der Composition ergänzen. 62
Ueber Tiziairs Belohnung und den Beginn der Arbeit am
"Martyriunr des heiligen Laurentius" gibt der folgende Brief
Auskunft.
Tizian an Philipp den II.:
"Grossmäehtigster und unüberwindlieher König!
Widrige Umstände zwingen mich, meine Zullucht zu Ew. Ma-
jestät zu nehmen, deren unendliche Güte als freigebiger Patron
eines ergebenen Dieners mir trotz meines Missgesehickes beistehen
und gnädig sein wolle. Vor einigen Tagen gedachte ich bei der
Mailänder Kammer den Rest meiner gewöhnlichen Pension zu
erheben, aber man behielt mir eine dem Betrag einer Jahresrente
gleichkommende Summe zurück, woraus mir grosse Verlegenheit
entstand. Damit noch nicht genug, wurde mir das Uebrige nicht
in baarem Gelde, sondern in einer Anweisung auf Reis ausbezahlt,
bei deren Versilberung ich eine Einbusse von mehr als hundert
"l s. Anonymus des Morelli S. 56; das Bild befand sich damals in Casa Pas-
qualino in Venedig; es war angeblich von Tizian begonnen und von Stefano vollendet.
52 Die Copie der Bridgewater-Sammlung N0. 87 ist mit Recht dem Andrea
Sehiavone zugeschrieben; statt der Bogenthür hinter Christus enthält sie ein hohes
Fenster. Das Exemplar Lord Overstomäs ist bei Waagen, Treasures, Suppl. S. 142
als Orig-inalskizze aufgeführt, worüber die Verff. ihre Meinung noßll Zllrüßkhalten.
Bemerkenswerth ist, dass wir hier die ganze Oomposition vor uns haben. Der
Raum oberhalb des Tisches ist verhältnissmassig weit grösser als auf dem Bilde des
Eseurial, der Bogen hinter Christus vollständig sichtbar, die Pfeiler reichen bis
zur Deeke und die auf Consolen an beiden Seiten angebrachten Statuen sind voll-
ständig. Möglich, dass wir hier eine Copie von Navarrete aus der Zeit vor der
Verstümmelung des Originals besitzen.