CAY.
XIX.
AUFTRAG FÜR BRESCIA.
93.9
Aufforderung erhalten zu haben scheint, eine bedeutende Be-
stellung zu übernehmen, auf welche eine beträchtliche Summe
angezahlt werden sollte. Im Jahre 1563 nämlich hatte sich
Cristoforo Rosa verpiiichtet, die Wölbung des grossen Saales im
dortigen Stadthause dekorieren zu lassen und im Februar 1564
waren die Arbeiten begonnen werden. Der Hauptschmuck des
Raumes sollte jedoch aus drei achtseitigen Bildern bestehen,
welche in den viereckigen Deckenspiegel einzulassen waren und
es schien angemessen, diese Oompositionen dem besten Maler
der venezianischen Staaten zu übertragen. Infolge dessen ward
am 3. Oktober in Gegenwart des Cristoforo Rosa ein Vertrag
aufgesetzt und unterzeichnet, durch welchen Tizian sich ver-
piiichtete, hierfür Historien und Figuren zu liefern, welche die
Vertreter der Stadt bezeichnen würden. Der Preis sollte von
einer Schätzungs-Commission nach Vollendung des Werkes be-
stimmt werden, doch band man sich gegenseitig durch Festsetzung
eines Angeldes von 150 Dukaten."
Wie wir sogleich sehen werden, erhielt Tizian endlich einen
Theil seiner Aussenstände aus Mailand, obgleich die lombar-
dischen Schatzmeister wie die Wucherer ihre Papiere mit in
Zahlung gaben. Inzwischen ging das „Letzte Abendmahl" nach
seinem Bestimmungsorte ab und langte glücklich im Escurial an,
wo sofort Anstalt getroffen wurde, es im Refektorium aufzuhängen.
Unglücklicher Weise soll jedoch dieses Gemach niedriger ge-
wesen sein wie Tizian's Leinwand, sodass man sich kurzer
Hand entschlossen habe, das Bild zu beschneiden. Ein taub-
stummer Künstler Juan Fernandez Navarrete „der spanische
Tizian der damals im Kloster beschäftigt war, widersetzte sich
diesem Entschlusse, als man ihm verständlich gemacht hatte, um
was es sich handle, mit grosser Heftigkeit und bat dringend,
man möge ihm gestatten, von dem Gemälde eine Copie zu
nehmen. Trotz seines Widerspruchs ward an Tiziaifs Werke die
summarische Execution vollzogen. Die Thatsache kann man noch
alle pub-
59 s. den Wortlaut des Vertrags bei B. Zamboni, Memorie intorno
bliche fabbriche di della Oittä Breseia, Brescia 1778.