über dem Knie in die Höhe genommen und mit blauem Gürtel
um die Hüfte befestigt; am Boden liegt ein gestreifter Teppich
und dicht daneben sieht man die drei Kugeln, die Attribute des
wohlwollenden Heiligen. Der Gesammteffekt wird weit mehr
durch den Warmen Ton eines goldigen Schattens hervorgebracht
als durch die Freiheit des Pinselstriches, die Erhabenheit der
Gestalt oder die massige Lichtführung. Gehilfenhände verrathen
sich in der gleichmässigen glatten Oberfläche und der schwachen
Modellierung der einzelnen Theile und man darf dieses und
andere Werke, die damals aus des Meisters Werkstatt hervor-
gingen, zu allermeist dem Schiavone auf Rechnung setzen?"
Wir haben all dßl" "Europa" und der "Antiope" gesehen,
Was Tizian zu leisten vermochte, wenn e1' seine ganze Kraft
anwandte, aber man würde ihm schweres Unrecht thun, wollte
man glauben, er habe sich in jener Zeit nur dann noch zu
"solcher Anstrengung aufgerafft, wenn ihn ein Gegenstand beson-
ders anzog oder wenn er sich durch königliche Bestellung
geschmeichelt fühlte. Den Gegenbeweis liefert die schöne Figur
des Hieronymus, die in jenen Tagen für S. Maria Nuova in
Venedig gemalt ward und gegenwärtig in der Brera zu Mailand
hängt, sowie die „Venus mit dem Spiegel" (jetzt in Petersburg)
und andere Werke verwandter Natur. Von dem "Hieronymus"
der Brera ist eine Wiederholung für Philipp den II. angefertigt
worden, die "Venus" in Petersburg ist das Original, nach welchem
Wiederholungen ebenfalls für den König von Spanien und für Nic-
colo Crasso gemacht sind.
Waren wir bisher bei Tizian ein Verfahren gewohnt, mit-
tels dessen er den fetten Farbenkörpei- in mehrmaligen Auf-
trägen auf der Leinwand einstrich und das Ganze schliesslich zu
einer gediegenen Flache durchwirkte und mit Lasuren letzter
Hand abtönte, welche in die Unebenheiten und Schriftzüge des
Mailand,
Brera.
i
33' Venedig, S. Sebastiano, Holz, oben rund, Figur nicht ganz lebensgross, am
Sockel des Sitzes bezeichnet: „TITIANVS P3"; rühmlieh erwähnt bei Vasari XIII.
41 und Ridolü I. 253, mehrfach ausgebessert, zuletzt 1822 durch Graf Corniani
(s. Cicogixa, Iseriz. Ven. IV. S. 149). Gestochen von einem Anonymus, photo-
graphiert von Naya.