Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP. XIX.  "VENUS VON PARDO (ANTlOPE)." 619 
standenen "Europa" häuiig gesprochen wird und Tizian im Jahre 
1574 von Antonio Perez Bezahlung dafür verlangte. 2' Obgleich 
durch Feuer, Transport, Reinigung und Nachhilfe vielfach be- 
schädigt, zeigt uns das Werk den Meister noch im Vollbesitze 
der Kraft und führt den Beschauer zurück in die Jugendtage, in 
welchen die Bacchanale entstanden. Dieselben Schönheiten in 
Anordnung, Form und Lichtführung und Manches vom früheren 
Farbenreiz ist hier zu einer neuen Wirkung vereinigt, welche auf 
fünfzigjähriger Erfahrung und wunderbarer Handfertigkeit beruht. 
Gruppierung, Geberdensprache, Umriss, Modellierung, Atmosphäre 
und Staäage stehen auf derselben Höhe.  
Die Hauptfigur erinnert gleichzeitig an die "Venus von Darm- 
stadt" und an die nschlummernde Ariadne": von jener hat 
Antiope die rosige Carnation, von dieser die Haltung entlehnt, 
aber Wie sie da auf ihrem Lager von Fellen ruht, ist sie noch 
lieblicher als ihre beiden Schwestern. Man weiss nicht: träumt 
sie wirklich oder sinnt sie nur so tief in sich versunken, dass 
sie trotz der Nahe nicht Hornruf noch Hundegebell vernimmt 
und nicht fühlt, wie Jupiter, in einen Satyr entstellt, ihr leise 
das Gewand von den Knien streift, während ihre Linke unge- 
zwungen im Schoosse ruht. Ihre Gestalt ist mit einer Weichheit 
modelliert, welche den parischen Marmortiguren nichts nachgibt. 
Durch die Aeste des Baumes über ihr flattert Amor und zielt 
Paris, 
Louvre. 
nach dem lüsternen Gotte; am Waldessaunr nebenan hocken fau- 
nische Gestalten im Gespräch, ein Jäger springt auf und reisst 
die Hunde mit fort, indem er nach dem Genossen sich umschaut, 
der das Halali ertönen lässt und der Ferne zustrebt, wo die 
Meute den Hirsch gestellt hat. Dort gibt uns Tizian Wieder 
einen entzückenden Blick in seine Alpenheimath. Für ihn sind 
die Höhen des Kithäron und die Ufer des Asopos im Thale von 
Mel beisammen und das reizende Landschaftsbild gewinnt die 
wirksamste Folie durch das dichte Gebüsch des Flussrandes und 
das Dickicht, welches mehr als die Hälfte der Bildfläche ein- 
nimmt, sodass man des lauschigen Charakters dieser Waldecke, 
 
11 Tizian 
Perez, 
December 
1574, 
Anhang 
CXXV. 
40 '
	        
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