CAP. XII.
GIORGIO
CORNARO.
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w0llen:._das Banner, unter welchem die Reiterschaar der Vene-
zianer anrückt, ist in der That das der Cornari und der Feld-
herr im Vordergrunde, Welcher sich die Rüstung anschnallen lasst,
ist entschieden nicht Dalviano. Denn das Denkmal, das diesem
verdienten Kriegsmann einige Jahre nach seinem Tode in S. Ste-
fano zu Venedig gesetzt wurde, zeigt ein Porträt von ganz an-
derer Art. Er war von auffallender Hasslichkeit, eine gedrun-
gene tappische Gestalt mit sehr dickem Kopfe, die Nase durch
Narben verunziert; das lange in der Mitte gescheitelte Haar fallt
schlaff und dicht über die Schultern, weder Kinn noch Lippe
haben eine Spur von Bart. Der Feldherr auf Tiziaifs Schlacht-
bild dagegen trägt Vollbart und kurzgelockten Haarbusch, ist
gross und imponierend an Wuchs und die Gesichtszüge sind männ-
lich schön, lauter Merkmale, die auf Cornaro passen. 23 Ueber-
dies ist ei11 Porträt aus Tizian's bester Zeit vorhanden, Welches
eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Feldherrn seiner Schlacht bei
Oadore hat und das auf der Rückseite ausdrücklich als Giorgio
Cornaro, Bruder der Königin von Cypern, bezeichnet ist. Tizian
hatte vielfach Gelegenheit, mit Giorgio Oornaro zusammenzutretfen,
der bis zum Jahre 1527 lebte und eine wichtige Rolle in der
Politik Venedigs gespielt hat. Wahrscheinlich ist das erwähnte
Bildniss ungefähr i. J. 1522 gemalt worden, zu einer Zeit, da
Cornaro 68 Jahre zahlte, doch scheint der Meister dabei das Aus-
sehen einer etwas früheren Altersstufe desselben aufgefrischt zu
haben. 2' Anders Wenigstens vermögen wir uns den offenbaren
Widerspruch nicht zu erklären, der darin besteht, dass der Stil
des Bildes ungefähr auf das Jahr 1522 hinweist, wogegen das
Alter des Dargestellten nur auf etwa 50 Jahre schliessen lasst
und die Inschrift, wie gesagt, den Giorgio Cornaro nennt.
23 Ein zeitgenössischer Lobredner schildert ihn: „quam enim decora forma
fuit, quanta oris majestate, qua totius corporis pulchritudine!" s. Garoli Cappellii
in funere Georgii Cornelii Catharinae Oypri reginae fratris oratio in Augustini
Valerii Opusculum, Padua 1719, 40, S. 223.
2' Naeh der Angabe des Panegyrikers folgte Giorgio Cornaro seinem Vater
Marco, der am 6. September 1479 beigesetzt wurde, im Alter von 25 Jahren; siehe
Caroli Cappellii Oratio a. a. 0. S. 218 und Petri Contareni in funere Marei Cornelii
oratio, ebenda S. 202.