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TIZIAN UND PHILIPP DER
CAP.
Am mailändisehen Hofe lebte damals der Bildhauer Leone
Aretino, dessen Beziehungen zu Tizian wiederholt berührt worden
sind. Er war nahe verwandt mit Pietro Aretino, in welchem
Grad
teren
Welche Weise ist jedoch unbekannt, und des Letz-
bei Tizian sowie Tizians Einfluss beim Kaiser
und auf
Einfiuss
und den Granvella's war ausgenutzt worden, um ihn in jeder
Weise zu fordern. Leone hatte ein noch weit heftigeres Tempe-
rament als Benvenuto Cellini und offenbar auch mehr Tücke als
dieser. Aus etlichen Städten Italiens War er bereits wegen
Blutschuld verbannt, gleichwohl hatte er sich an jedem neuen
Zufluchtsort immer wieder Freunde zu erwerben gewusst. In
Mailand besass er einen Palast, hielt Pferde und Dienerschaft,
lebte mit einem Worte auf grossem Fuss und nahm Orazio
Vecelli gastlich bei sich auf, indem er ihn mit einem Geleit von
Reitern aus seinem Absteigequartier im Gasthaus zum Falken
abholte. Der junge Vecelli, der vierzehn Bilder mitgebracht
hatte, blieb über einen Monat in Leone's Hause wohnen. Er ver-
kaufte seine Bilder an den Herzog von Sessa und dieser sass
ihm zu einem lebensgrossen Porträt. Da er auch die Einrahmung
des Porträts besorgen sollte und sich dadurch sein Aufenthalt in
Mailand in die Länge zog, wollte er die Güte des Gastfreundes
nicht über Gebühr in Anspruch nehmen und miethete sich des-
halb eine eigene Wohnung, in welche er an1 14. Juni seine
Habseligkeiten schaffen liess. Inmitten dieser Beschäftigung ward
er von Leone und dessen Leuten plötzlich überfallen. Sie
drangen mit Dolchen auf ihn ein und brachten sein Leben in die
höchste, Gefahr. Glücklicher Weise war der erste Stoss, den
Leone selbst geführt, nicht tödtlich gewesen, Orazio gewann die
Thür und erreichte schwer verwundet die Strasse. Er ward nach
dem ,.,Fa1ken" getragen, wo ihn der Barbier des Herzogs von
Sessa verband und ihm Stärkungsmittel gab, SOdiLSS 61' im
Stande war, einer Gerichtsperson, die sich zu seiner Vernehmung
nach dem Gasthause begab, seine Aussage zu machen. Auf die
Frage, 0b er einen Grund für Leone's Handlungsweise anzugeben
wisse, konnte er nur antworten, er vermuthe, der Mörder be-
neide ihn wegen der Gunst, die er beim Gouverneur geniesse; in