XVIII.
TOD KARL'S DES V.
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Tizian's Tochter von ihm selbst gemalt sei, ist nichtsdestoweniger
moderne Zuthat. Die Worte sind bei einer der zahlreichen Restau-
rationen des Bildes auf den Hintergrund gekritzelt und das Pig-
ment hat sich in die älteren Sprünge gesenkt. Ob das Bild echt
ist, kann gar nicht in Frage kommen; Tizian's Hand ist unver-
kennbar; wohl aber entsteht die Frage, ob es wirklich Tizian's
Tochter vorstellt. Die Züge weichen Wesentlich von dem Gesichte
ab, das die Ueberlieferung der Lavinia gibt, wogegen sie auf-
fällige Aehnlichkeit mit der Venus in den Uftizien haben, welche
dem flüsternden Cupido lauscht. Als Darstellung einer voll ent-
wickelten weiblichen Gestalt in reicher Kleidung ist das Bild
meisterhaft, das Gesicht energisch gemalt, breit modelliert und
doch im Ton zu grosser Feinheit abgeglättet. Zarte Abstufungen
vermitteln die warmen Lichter mit den braunen gesättigten Schat-
ten, das Auge strahlt und der Mund quillt in gesunder Röthe.
Trotz einer gewissen Fettheit ist der Schnitt der Zuge fein, die
kräftige Büste und die dralle Hüfte mit der Plastik und dem
Nerv geformt, die Paolo Veronese später so wirkungsvoll hand-
habte. Die Farben des Sammets und des Mousselins an Busen
und Hand sowie Haar und Perlen stimmen mit dem braunen
Hintergrunde so vollkommen
frischen Natur selbst.
ZIISELIIIIIIGD
wie
IIUT
der
lebens-
Solche Arbeiten beschäftigten den Meister, als er von der
allmäligen Auflösung und endlich von dem am 21. September
1558 erfolgten Tode seines grossen Gönners KarYs des V. erfuhr.
Ihm hatte Tizian das Gemälde der Dreieinigkeit geliefert, das
ihn bis in seine allerletzten Tage an die Eitelkeit der irdischen
Welt erinnern sollte, für die er seine Kräfte vergeudet, und Bürg-
schaft einer höheren gab. Wenn er auch nie ganz aufhörte, von
1" Dresden, Galerie N0. 230, Leinwand, lebensgrosses Htlftbild, aus der mode-
nesischen Sammlung erworben, 1826 auf neue Leinwand gespannt. An der Stirn
befindet sich eine Narbe, im Gesicht und besonders in den Schattenpartien sind
Nachhilfen bemerkbar, die linke Hand hat sehr durch Uebermalung gelitten, der
Hintergrund ist aufgefrischt. Gestochen von Basan.