Volltext: Tizian (Bd. 2)

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XVIII. 
DER ..TOD DES LAURENTIUS". 
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congcnialen Gesinnung bemerkbar, wenn man die michelangelesken 
Produkte Sebastians hiermit zusammenhält: dort ist äusserliche 
Kunstfertigkeit ohne zwingenden Impuls, hier volle Ursprünglich- 
keit und Energie des Ausdrucks und der Form, aber dabei noch 
das unvergleichliche Farbenelement, das alle Schöpfungen Tizian's 
in eine ganz eigenartige Sphäre erhebt. Unleugbar erinnert der 
Laurentius vermöge der Zeichnung und des Verkürzungsmotivs 
an Gestalten der Sixtinischen Decke und es ist kaum zweifel- 
haft, dass diese Tizian vorgeschwebt haben, wie ihm auch bei 
der Composition seines "Petrus Martyr" und seiner „Schlacht" 
oifenbar die michelangeleske Riesenwelt den Sinn erfüllte, aber 
gleichwohl ist Alles, was er gibt, individuell und sieht ihm selbst 
ähnlicher als jedem Dritten. 
Wie lebhaft Tizian damals Rom im Gedächtniss lag, das 
beweist die bauliche Staffage unseres Bildes. Der Tempelaufriss 
im Hintcrgrunde erinnert unmittelbar an die Antoninfschen Pracht- 
rcste der Piazza di Pietra, nur ist die stattliche Treppentlucht 
verschöncrnd hinzugethan. Die Technik, welche der Meister da- 
mals befolgt, legt allen Nachdruck auf Energie des Pinselzugs 
und Flächenhaftigkeit, aber wie viel auch Alter und Schlimm- 
besserer dem Werk zu Leide gethan haben, man würdigt noch 
heute, welch' erstaunliche Kenntniss und Praxis dazu gehört, um 
bei so breiter Vortragsweise weder Gediegenheit noch Wahrheit 
der Anatomie preiszugcben. 
Von der Beschäftigung mit der Antike zeugt mancher An- 
klang aus jener Zeit. Besonderes Interesse scheint Tizian für 
den Laokoon gehabt zu haben. Angeblich hat er das Motiv ein- 
mal im burlesken Sinne gemissbraucht  in der Zeichnung zu 
Boldrini's Holzschnitt der Aifengruppe  aber diese Verirrung, 
wenn sie anders dem Meister wirklich begegnet ist, machte er 
wieder gut. Am würdigsten bethätigt sich der Eindruck des 
klassischen Werkes in Tizian's "Dornenkrönung" im Louvre, 
dessen Hauptfigur unverkennbar auf jenes Vorbild zurüekweist. 
Das Gemälde, welches vermuthlich von Orazio Vecelli im Jahre 
1559 auf der demnächst zu schildernden verhängnissvollen Reise 
zur Eintreibung der Pension seines Vaters mit nach Mailand ge-
	        
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