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DER
.TOD DES LAURENTIUS".
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sodass also die reichste Ausbeute der Eindrücke Roms und selbst-
verständlich auch der Erinnerungen an Rafael und Michelangelo
erwartet werden durfte. All' diese Elemente wirkten zusammen
bei der Entstehung dieses Bildes, das zu den allerbedeutendsten
Altarsschöpfungen seines Meisters gehört.
Bis auf den Hüftsehurz völlig entkleidet liegt der Jüngling,
die Füsse zum Beschauei- gerichtet, auf zwölffussigem eisernen
Roste ausgestreckt, dessen Langseite auf die rechte Ecke des
Bildes weist. Links daneben kniet ein Mann tiefgebiickt am
Boden und stört indem er sich mit der andern Hand auf einen
Baumzweig stützt, den lodernden Brand. Ein Knecht hinter ihm
bringt eine Tracht frischer Scheite herbei und saumt beim Anruf
des Schergen, der vor der Hitze den Kopf zurückwendend den
Heiligen unter den Achselhöhlen gepackt hat. Von der rechten
Seite wird der Unglückliche durch einen nur mit Brustharnisch
gewaifneten Soldaten mittelst einer langen Gabel in die Seite
gestossen; zwei andere noch weiter zurückstehende sind im Be-
griff , den Dulder zu schlagen. Seitwärts hält ein Hauptmann,
umgeben von anderen römischen Kriegern und Feldzeichen, mit
der Fahne zu Ross und betrachtet das entsetzliche Schauspiel,
das durch die Enge des Hofes, worin es vor sich geht sowie durch
den Qualm, der den ganzen Raum erfüllt und die Wuth der
Henker zu steigern scheint, noch grasslicher gemacht wird. Die
Gruppe empfängt gespenstische Beleuchtung von unten her durch
das Rostfeuer, von oben durch die am Sockel einer Statue be-
festigte Pechfackel, die zugleich den tieferen Hintergrund auf-
hellt, in welchem ein Tempel mit einer Treppenfiucht und nahende
Zuschauer kenntlich werden. Antlitz und Glieder des Heiligen
aber werden noch durch anderes Licht verklärt: der Himmel
hat sich seinen Seufzern geöffnet und tröstend glitzert durch das
schwarze Gewölk ein Stern, nach dem er sterbend Blick und
Hand
erhebt. 5
5 Venedig, Jesuitenkirche, 1. Altar links, Leinwand, oben rund, Figuren über
lebensgross, bezeichnet an der Vorderseite des Restes: "TITIANVS VECELIVS
ZEQVES F." Schon Scannelli, Microoosmo S. 215 klagt (im XVII. Jahrhundert)
über die Dunkelheit des Bildes, welches aus Cornelio Corfs Stich nicht zu be-