Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP 
XII. 
DIE "SCHLACHT 
BEI 
GADORE" 
351 
erste Angriff gemacht wurde, umging er die wirkliche Beschaffen- 
heit des Hintergrundes von Tai und setzte an dessen Stelle den 
Felsen von Cadore, wie er von anderen Punkten des Schlacht- 
feldes aus sich dargestellt haben würde. Den allgemeinen Cha- 
rakter des Treffens und seine verschiedenen Phasen schildert er 
so, als hatte man sie von Einer Stelle übersehen können, und 
bewahrt (labei so viel von der Wirklichkeit, dass ein Cadoriner 
sich wohl zurecht finden konnte, aber doch nicht genug, um Die- 
jenigen aufzuklären, welche glauben sollten, es sei der Kampf um 
Spoleto gemeint. Die Täuschung wird durch sinnreiche Detailbe- 
handlung unterstützt. Wie wir sahen, erscheinen des Kaisers Trup- 
pen in der Tracht römischer Soldaten, ihr Banner aber zeigt den 
östreichischen Adler; die Gegner kämpfen nicht unter dem Markus- 
löwen, sondern unter dem Zeichen der Cornari, es fehlen die cha- 
rakteristischen Erscheinungen" der Stradioten, der leichten vene- 
zianischen Reiterei, die an ihren Cylinderhüten sofort kenntlich 
wären; die Kavallerie, der die Hauptaktion auf venezianischer 
Seite zugetheilt ist, trägt Harnisch, die Infanterie wird nur in der 
Ferne sichtbar; das Land ist nicht mit Schnee bedeckt, wie es 
doch in Wahrheit während der Februartage des Kampfes um Oa- 
dore erscheinen müsste  auch sieht man keine Dolomiten.  
Wir bemerkten bereits, dass Ridolti das Gefecht beim rech- 
ten Namen nannte. Auch Fontanafs Stich hat stets die Inschrift 
„ Schlacht von Cadore " geführt. Lange vor Tizian zeichnete Burgk- 
mair das Treffen von Pian di Tai in einem Holzschnitt für das 
Heldengedicht des „Weis Kunig", und es ist auffallend, wie sehr 
hier die Landschaft derjenigen ähnelt, die auf dem Bilde im Dogen- 
palast angebracht war. Burgkmair, der kein Blatt vor den Mund 
nahm, zeigt, wie die Stradioten auf die Deutschen einhauen, er 
gibt den geflügelten Löwen von St. Markus zu erkennen, wie er 
auch den Felsen von Cadore im Hintergrunde anbringt. Das Ka- 
stell auf dem Hügel zeigt die Reichsiiagge, die Mauern desselben 
sind vom Feuer verschont. Strom und Brücke bilden zwar keine 
 
vgl. unsere Beschreibung 
Cap. IV. des I. Bandes. 
I1 
oben in 
des Landes 
uxgd 
vom Jahre 
des Feldzuges 
1508
	        
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