CAP.
E
PORTRÄT DES
noeiä
TREVISANI.
551
Unterdessen war der Doge Francesco Donato, nachdem er
das hohe Alter von achtzig Jahren erreicht, zu seinen Vätern
versammelt worden und hatte in dem frommen Senator Marc An-
tonio Trevisani einen Nachfolger gefunden. Tizian sah sich ge-
zwungen, seine Arbeiten zu unterbrechen, um den neuen Fürsten
zu porträtieren; im November konnte Aretin bereits zum Lobe des
Bildes ein Sonett schreibenfg Das Original ist bei der Feuers-
brunst im Jahre 1577 mit verbrannt, glücklicher Weise existiert
aber eine Wiederholung davon in der Sterndsehen Sammlung zu 3,3313!)
Wien, die das kränkliche Aussehen eines Mannes zeigt, der schon Sternef
nach einjähriger Amtsführung starb, als er in einem Zimmer des
Dogenpalastes die Messe hörte. Gestalt und Gesicht sind nach
rechts gewandt, der Herzogshut aus Weisser Seide scheint den
Kopf zu belasten, der auch in den tiefliegenden schwarzen Augen
und dem galligen Teint Zeichen der Krankheit an sich trägt.
Der mit grauen Streifen untermischte schwarze Bart fallt auf
den reichen citronenfarbigen Damast des Mantels, den der Doge
mit der linken Hand zusammenfasst, Während die rechte ein
weisses Taschentuch hält?" Kein Gemälde aus dieser Zeit ist
uns bekannt, auf welchem Tizian die Weiche Beschaßenheit des
Fleisches so oberflächlich von der Textur des Gewebes im Kostüm
unterschieden hätte wie hier. Die gleichzeitigen Porträts von
Vargas und Thomas Granvella, Welche Während des folgenden
Winters den Palast der kaiserlichen Gesandtschaft und Tizian's
mit
grösserer
Haus in Venedig schmückten, werden vermuthlieh mit gröss
Sorgfalt ausgeführt gewesen sein. 21
Im Frühling und Sommer 1554 vollendete Tizian vier
deutende Werke: die "Danaö" von Madrid für den Prinzen
Spanien, ein "Noli-me-taingere welches die Königin Maria
be-
von
aus
w Aretin an Boceamazza, Venedig November 1553, Lettere di M. P. Aretino
VI. S. 203.
2" Das Bild, lange in der Sammlung Festetits, misst 0,99 M. zu 0,86 M,
die Figur ist bis zum Schenkel sichtbar, Nachhilfen fehlen nicht, besonders in der
Stelle dicht unterhalb des Bartes.
2' Aretin an Tizian, Venedig Oktober 1553,' derselbe an Vasallo, November
1553, und an Thomas Granvella, Januar 1554, Lettere di M. P. Arotino VI. S. 193,
203-205 und 220 v. Keins der Bilder kann gegenwärtig nachgewiesen werden.