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TIZIAN IN AUGSBURG.
OAP.
XVI.
bischofs malen, scheint also den Kardinalsornat verschmäht zu
haben. Er geht wie ein Minister mit Staatsangelegenheiten be-
schäftigt über den rothen Teppich, ein Aktenstiick in der linken
Hand, Während die rechte den rothen Vorhang hebt, welcher den
mit grünem Tuch bedeckten und mit Papieren und einer Glocke
beladenen Studiertisch zum Theil verhüllt. Trotz der Beschä-
digung sieht man dem schönen lebensgrossen Bilde an, dass es
schnell und von Meisterhand gemalt ist. Als habe das Original
nicht viel Zeit gehabt, sind die Umrisse der Gestalt mit schnellen
Strichen auf die Leinwand geworfen und mit breiten Drückern
modelliert, ohne viel Bedacht auf zarte Uebergänge oder ver-
schmolzene Abstufungen. 3"
Auch in Augsburg verwandte Tizian seine Musse zum Com-
ponieren. S0 schuf er für die Königin Maria von Ungarn den
„Pr0metheus u, "Sisyphus", „Ixi0n" und „Tantalus welche Cal-
vete d'Estrella 1549 in Binche sah, ehe sie nach Spanien ge-
schickt wurden, wo sie im Palaste Pardo mit Averbrannt sind.
Uebrig geblieben ist uns Nichts als die Copien des Prometheus
und des Sisyphus im Madrider Museum. Die Qual des einsamen
Titanen war in ihrer ganzen Furchtbarkeit geschildert: mit den
Füssen nach oben gefesselt hängt der kraftstrotzende Körper über
zerklüftetem Felsen, wehrlos gegen den Adler, der ihm die Brust
zerfleischt."
30 Cristoforo Madruzzi war 1512 geboren; die direkte Linie seiner Nachkom-
men erlosch 1658 und wurde von den Agnaten, den Baronen von Roeeabruna be-
erbt; von diesen ging die Erbschaft auf die Barone Isidor und Valentino Salvadori
in Trient über, welche das Bild gegenwärtig besitzen. Das Porträt, ganze Figur
in Lebensgrösse auf Leinwand, hat zwar stark gelitten, besonders in den Fleisch-
partien, ist aber trotz der Zerstörung des "brio" der tiziunischen Pinselfuhrung und
Tönung und trotz weitgehender Abstumpfung noch immer schön. Vasari XIII. 33
erwähnt es.
i" Madrid, Museo del Prado N0. 465 Sisyphus, No. 466 Prometheus, noch
immer, jedoch mit Zweifel, dem Tizian zugeschrieben. Bei ihrer Uebcrsiedelung
aus den Niederlanden nach Spanien i. J 1556 hat Maria von Ungarn nachweislich
wenigstens zwei Bilder des "oben erwähnten Oyklus mitgenommen, deren Existenz
dem Vasari (XIII. 38, 39) und dem Lomazzo (Trattato, 1. Allßg, S. 676) bekannt
war. Ueber_„Tantalus" und „Ixion" heisst es in dem Inventar von Simancas aus
dem Jahre 1558 (Revue universelle des arts III. S. 140 ,.viejos e gastados que
esteban en 1a Casa de Vinz." Diese sowie der "Sisyphus" und "Prometheus" des