TIZIAN IN AUGSBURG.
CAP.
XVI
In sehr vielen Beziehungen wird Karl als das Gegenbild
seines Bruders Ferdinand geschildert, nirgends trat aber diese
Verschiedenheit wohl so scharf hervor, als in dem Benehmen,
welches Beide der Gesellschaft gegenüber beobachteten. War
Ferdinand bei Laune, so konnte er Scherze mit dem Hofnarren
treiben und unaufhörlich mit seinen Gästen schwatzen. Karl
hörte kaum auf die Spässe seines Lustigmachers und nahm
sie, selbst wenn sie gut waren, mit der kalten Gravität eines
Castilianers hin. War diese Haltung ursprünglich auch nur auf
den Rath von Covos angenommen, Welcher die Spanier mit Steif-
heit und Strenge behandelt wissen wollte, so ward sie dem Kaiser
doch sehr bald zur andern Natur und endlich War sein saures
Aussehen sprichwörtlich geworden. Bei Tafel ass er sehr reich-
lich, ohne nur ein einziges Wort zu sprechen und sobald das
Tischtuch abgenommen War, zog er sich gewöhnlich in eine Ecke
in der Nahe des Fensters zurück und hörte ganz still der Unter-
haltung seines Gefolges zu. "J
Plgiqiläiä Wir dürfen annehmen, dass Tizian ihn einmal in solchem
'Gemüthszustande aufgefasst hat. Das Resultat davon war das
Porträt in der Pinakothek zu München, auf welchem Karl schwarz
gekleidet in seinem Armstuhl im Winkel einer steinernen Halle
sitzt. Ein Vorhang von Golddamast fallt in der Nahe des Pfei-
lers vor der Wand nieder und eine steinerne Brustwehr trennt
die Terrasse, auf welcher der Kaiser sitzt, von der in der Ferne
sichtbaren Landschaft. Da Karl an der Gicht litt, musste er sich
sorgsam kleiden. Es war ihm Bedürfniss, im Freien zu sitzen,
und so trug er bei solchen Gelegenheiten eine schwarze Kappe,
Theil, der infolge dessen nicht nur im Umriss verändert, sondern auch übernialt
ist, die ganze Bildfläche ist mehr oder minder stumpf und düster geworden. Photo-
graphie von Laurent. Eine Oopie des Reiterbildes war als echtes Werk Tizian's
in der farnesischen Sammlung i. J. 1680 verzeichnet (braeeie 4 on. 5 zu 4 br. B),
ein andres ("palmi 31,12 zu palmi 3 e un dito") in der Sammlung der Königin
Christine von Schweden (Campori, Racc. di Oat. S. 359 und 243 und Sßannelli,
Microcosmo S. 222). Eine gute Nachbildung in kleinem Maussstabe besitzen .die
Sammlungen Rogers und Baring; sie gilt für Tizian's Werk, ähnelt aber mehr einem
geschickten Copisten wie wir ihn z. B. in dem Spanier Juan Bautista. Martinez del
Mazo, dem Schülers und Schwiegersohn des Velasquez de Silva kennen.
19 Vgl. Sastrow und Mocenigo bei Buchholtz a. a. O. VI. S. 30.0 und 501.