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XVI.
DER KURiFÜRST vom sAcI-lggu.
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an einem heissen Julitage 1548 zu der Wohnung des Kurfürsten
Johann Friedrich aufmachten, um ihn durch Schmeicheleien
und Drohungen zur Annahme des Interims zu bewegenfä Der
Kanzler, ein hochgewachsener Mann in schwarzer Robe, mit dem
Orden vom goldenen Vliess geschmückt, War kenntlich an seinem
weissen Bart, der in zwei Spitzen von dem mächtigen Unter-
kiefer herabfiel. Die Oberlippe, von einem Streifen Schnurrbart
eingefasst, überragt die grosse fleischige Nase; die hohe ge-
wölbte Stirn bedeckte zerstreutes flockiges Haar von zweifelhaf-
ter Farbe, dagegen waren die Brauen buschig und beschatteten
das scharfblickende, tief unter breiten Lidern lauernde Auge. Die
vorstechenden Eigenschaften, welche aus dem Gesichte sprechen,
sind Verstand und Schlauheit. Sein Sohn der Bischof war bei-
nahe eine zweite Ausgabe seines Vaters, nur die Stirn nicht so
hoch, Nase und Augen kleiner, Bart und Haar kürzer und dafür
reichlicher und kraus. BcidelMänner waren beleibt, doch hatte
keiner von ihnen die schwammige Vollblütigkeit des sächsischen
Fürsten, dem die Gefangenschaft, namentlich in der Sommerhitze,
äusserst beschwerlich fiel. Seine Kleidung war so wuchtig, dass
das Reiten für den Reiter wie für das Pferd eine grosse Anstren-
gung ward. Betrachtet man die von ihm in der Schlacht bei
Mühlberg getragene schwarze Rüstung, die im Ambraser Museum
zu Wien aufbewahrt ist, so begreift man, dass nur ein starkes
friesisches Pferd solche Eisenmasse und ihren Träger fortzubringen
vermochte. Johann Friedrich besass ein Leibpferd von dieser
muskulösen Race und Karl der V. erkannte den Kurfürsten auf
dem Schlachtfelde an diesem Pferde, denn er hatte es auch ge-
ritten, als er im Jahre 1544 zum Reichstage in Speyer war.
Cranach und Tizian haben Gestalt und Züge Johann Fried-
rich's verewigt, wie es auch Beiden vergönnt war, die des
Kaisers und seiner Familie zu malen. Der Kurfürst hatte feiste
Backen, fette Arme, dicke Hände, einen Stiernacken, aus wel-
chem der Kopf gleich einem abgestumpften Kegel hervorwuchs.
Das Auge war gross, blutunterlaufen und apoplektisch, die Augen-
Hortleder, Röm.
Gotha
Keyser Handlungen,
1645, 1111.11.
940 ff.