496 TIZIAN'S TOCHTER.
ÜAP.
offenbar. Auf dem Lager von verblichenem lackfarbenen Sammet
ausgestreckt hält sie das Laken und einen Blurnenstrauss in der
linken Hand; ihr Ellenbogen ist auf das feine Linnen des Kissens
gestützt, an welches sie sich lehnt, der rechte anliegende Arm
folgt dem Auf- und Abwegen von Leib und Hüfte. So ruhend
wendet sie sich und horcht auf Cupido, der flüsternd über ihre
Schulter blicktund seine zarte Hand auf ihren Hals legt. Der
ruhige leidenschaftslose Charakter der Gruppe wird durch den
harmlos bei dem Köcher liegenden Pfeil am Ende des Lagers
angedeutet; die Vase auf dem Tisch enthält Rosen und Nelken,
das Hündchen zu den Füssen der Göttin guckt nach einer Eule,
welche auf der das Gemach vom Garten trennenden Ballustrade
sitzt. Hinter dieser und den aus weinrothem leichten Woll-
stolf bestehenden Gardinen streckt ein malerischer Baum die
üppige Blattfülle seiner Zweige in den Wolkenhimmel und ein
buchtenreicher See bespült Felsen und entfernte Ufer, die weiter-
hin sich an das im bläulichen Dämmer des Abendscheins ver-
schwimmende Gadoriner Hochland schliessen. Die Sonne geht in
dünnem grauen Nebel unter, sodass der Himmel nicht mehr von
ihr bestrahlt wird. Im Zwielicht erfasst das Auge in gemessener
Entfernung allmälig Gegenstände, die an Deutlichkeit zunehmen,
je länger man sie anschaut ein fein gewähltes Beleuchtungs-
motiv für das Geheimniss der Enthüllung. Venus sieht nicht nur
auf Amor, sie lauscht auch seinem Geflüster. Der Knabe ist muth-
willig und schön und ebenso typisch für Tizian wie einer der
Engel auf der sixtinischen Madonna für Rafael. Seine Augen
sprechen gleich denen seiner schönen Mutter. Die Gruppe als
solche, naturwahr trotz der Antike, sprüht Leben und ist in
mildbräunlichem Gesammtton warm coloriert. Die Formen der
Göttin schwellen in ambrosischer Fülle und Kraft, jede Muskel-
Verschiebung ist genau verfolgt, jeder Zoll pulsierendes Fleisch.
Nicht das jugendvolle schlanke Mädchen des Darmstädter Bildes,
noch die erblühende Knospe der ersten Florentiner Venus haben
wir hier, sondern die Gliederpracht der völlig gereiften Frau. m
49 Florenz, Ufiizien
urbi-
aus dem
Figurqn lebensgross,
Leinwand,
uns,