Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP. 
H 
"CHRISTUS IN EMAUSi 
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wir in einer für Philipp den II. als Infanten von Spanien angefer- 
tigten Wiederholung und in geringeren Nachbildungen. 
In einem Briefe an den Kanzler Granvella beschreibt Aretin 
die grosse Erregung des venezianischen Publikums, als Tizian im 
Jahre 1547 vom Kaiser nach Augsburg entbotcn wurde. Die 
Menge belagerte sein Haus und verlangte nach Bildern von ihm 
oder sonst welchen Vermächtnissen seiner Kunst. "5 Unter diesen 
Leuten befand sieh vermuthlieh auch Alessandro Contarini, ein 
Patrizier und Poet. Er kaufte einen „Christus in Emaus  den 
er für so schön erachtete, dass er ihn der Signorie zum Geschenk 
anbot. Die Gabe wurde angenommen und in dem Staatspalaste 
aufgestellt, wo das Gemälde bis Ende des vorigen Jahrhunderts 
verblieben ist. iß Tizian hatte jedoch eine Wiederholung angefer- 
tigt, die er nach Mantua schickte und diese gerieth nebst der 
Gonzagasehen Sammlung in die Hände KarPs des I. von Eng- 
land und schliesslich mit anderen Schätzen aus Whitehall in die 
Galerie Ludwigs des XIV. 
Wie bei anderen biblischen Darstellungen gibt Tizian auch 
hier ein Genrebild in monumentaler Staffierung. Das Haus, worin 
der Heiland mit den beiden Gefährten, eingekehrt ist, hat Ver- 
hältnisse und Material eines Palastes, der Tisch, woranier sitzt 
steht auf einem Marmorflur, über welchen sich die Aussicht 
auf die Wälder und Dolomiten von Cadore eröffnet. In anderer 
Hinsicht aber liegt wieder etwas Behagliches und Trauliches in 
der bildlichen Erzählung. Christus sitzt mit Lukas hinter dem 
Paris, 
Louvre. 
 
schlafend. Photographiert von Naya.  Die Schulcopie im Belvedere zu Wien 
(1. Stock, I. Saal N0. 54) h. 3 F., br. 3 F. 9 Z., ist vermuthlich das Exemplar, 
welches sich in der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm in Brüssel befunden 
hat. Es ist für das Galeriewerk des Teniers von Schiavoni gestochen. Hier war 
Amor mit der Taube hinwegfliegend dargestellt, ist jedoch nicht mehr zu sehen, 
sondern die Stelle, wo die Figur angebracht war, mit Leinwand ausgedickt und 
mit der Farbe des Bodens übermalt. Auch im Uebrigen ist das Bild stark bearbeitet 
und an den Seiten beschnitten. Einiges deutet auf die Hand Andrea Schiavones 
Ob eins der genannten Bilder die Copie sei, welche der Anonymus Tizianello S. 5 
im Besitze des Giov. Carlo Doria aufftihrt, vermögen wir nicht zu entscheiden. 
45 Aretin an Granvella, Januar 1548 in Lettere di M. P. Aretino IV. S. 136. 
4" Vasari XIII. sah es über der Thür in einem Zimmer des Dogenpalastes; 
diesen Raum beschreibt Boschini, Ricche Min. Sest. S. Marco S. 18, Ridolü I. 216 
und Zanetti, Pitt. Ven. S. 165; er war der Kapelle der Prcgadi benachbart,
	        
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