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TIZIAN'S TOCHTER.
CAP.
Die frische Natürlichkeit der Haltung und der offene kindliche
Blick stimmen durchaus zu der Annahme, dass Tizia11 hier sein
eigenes Kind gemalt hat. Fleisch und Gewand sind reich und
flott, aber vielleicht schon etwas zu schwammig behandelt. Von
Haus aus hcchgesteigerte Tonmischung und nachmalige Bear-
beitungen, namentlich Firnissüberzüge mögen zusammengewirkt
haben, um den feinen Flaum der Oberfläche zu schädigen. Mög-
licher Weise hat auch Orazio seine Hand im Spiele gehabt, dessen
Betheiligung an den Arbeiten des Vaters jetzt mehr und mehr zu-
nahm. In der Hauptsache aber bleibt es doch eine grosse Schöpfung
des Meisters. '
London, Von gleicher Tcnfülle, doch oberflächlicher modelliert und
8:32:32?! zu markiert in ihrer Ungezwungenheit, um bedingungslos als
Werk Tizianis anerkannt zu werden, zeigt die „Lavinia mit dem
Schmuckkästchen" in Lord C0wper's Sammlung die w0hlbekann-
ten Gesichtszüge in vollerer Blüthe als in Berlin. Das Kästchen
liegt auf einer Silberplatte, in der Ferne ist die Landschaft sicht-
bar, doch fehlt der Balkon; das Gewand ist grün, der Schleier
gelb, das Gesicht in schärfer abgegrenzte Flächen geschnitten,
die Gestalt kräftiger entwickelt. Dem iliessende-n Pinselvortrug
entspricht die grössere Schlaifheit in der Formbezeichnung. Auch
dafür mögen wie auf dem Berliner Exemplar die Nachbesserungen
mit verantwortlich sein. 32
Madrid,
Museum.
Jugendlicher, in rothem Damastkleid und Schleier, die nackten
Arme nur mit Mousselin verhüllt, ist die „Sal0me" in Madrid,
welche auf emaillirtem Kredenzteller das Haupt des Täufers
wägt. Auf keine Weise jedoch erreicht sie das Mädchen mit
dem Schmuckkasten, wie wir denn hier offenbar die Arbeit
Sammlung Barbarigo angesehen) befindet sich unter N0. 104 in der Ermitage zu
Petersburg, ist aber nicht Original.
32 London, Sammlung Oowper, Leinwand, lebensgross; ehemals in der Galerie
Orleans und erwähnt in den Sammlungen der Lady Lucas und der Lady de Grey
(S- Waagen, Treasures II. S. 497). Es hat Retouchen an den Händen und eine
ausgebesserte Stelle an der Schulter. Gestochen von Guibert. Unter Hollafs
Stichen (1560) beündet sich einer nach einem Bilde in Van Veerle's Sammlung
Lavinia mit einer Schüssel und drei Melonen darauf (vgl. Ridolii I. 259) von
welchem zur Zeit Nichts mehr bekannt ist.