Volltext: Tizian (Bd. 2)

CAP. XV. PORTRÄTS DER LAVINIA. 
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philosophische Betrachtungen über Leben und Tod anregt, stellte 
er vermuthlieh abermals seine Tochter dar; das Gesicht dieser 
nun zur Matrone gereiften, aber noch schönen Frauengestalt ist 
mit geringfügigen Aenderungen dasjenige des Dresdener Porträts?" 
Spätere Wiederholungen derselben Erscheinung, als Früchte und 
Blumen tragendes Mädchen oder als Salome, die das Haupt des 
Täufers hält, fixieren nur den Typus. Gleichviel, 0b sie aus Ti- 
zian's Händen oder aus denen seiner Schüler hervorgingen, alle 
diese Bilder athmen liebenswürdige Jugend. 
S0 charakterisiert die „Lavinia" der Berliner Galerie die 
breite Manier des Meisters ums Jahr 1550. Es ist eine vollreife 
Barlin, 
Galerie. 
dralle Gestalt, in gelblich grüne Seide mit Schlitzärmeln ge- 
kleidet, um die Taille schliesst ein Gürtel von getriebener Arbeit 
und von ihren Schultern fallt ein Weisser Schleier herab. Von 
der Seite gesehen erhebt sie mit den Händen eine mit Blumen 
angefüllte Schüssel und Wirft durch die Biegung des Leibes das 
Gleichgewicht erhaltend den Kopf zurück, indem sie, das Ge- 
sicht ein Wenig, drehend, den Beschauer anblickt. Ihr sorgfältig 
von den Schläfen zurückgestrichenes rothbraunes Haar wird von 
einem Juwelendiadem festgehalten, und der Hals ist mit Perlen- 
schnur geziert; links ein dunkelrother Vorhang, der zum Theil 
die braungestrichene Wand verdeckt, rechts ein Ausblick vom 
Altan über Hügellandschaft im Abcndlichte vervollständigen ein 
Bild, das mit grosser Bravour auf groben Zwillich gemalt istf" 
3" Wir beziehen uns hier auf das von Waagen, Treasures, Suppl. S. 110 in 
der Sammlung des Mr. James Morrison in London beschriebene Bild, an wel- 
chem derselbe theilweis die Hand eines Schülers bemerkt. Wir selbst haben das 
Bild nicht gesehen. Der Stich wurde schon früher erwähnt. Er ist in zwei ver- 
schiedenen Drucken vorhanden und mit Insehriften versehen (s. Cadorin, dello 
amore S. 79). 
3' Berlin, Museum N0. 166, Leinwand, Huftbild, lebensgross, h. 3 F. 3'_l2 Z., 
br. 2 F. 71h Z. Die ganze Fläche ist mit einer dicken alten Firniss-Schicht bedeckt, 
deutliche Spuren von Nachbesserungen finden sich in den Schattentheilen des Ge- 
sichtes, an den Handgelenken, an der rechten Hand und am Himmel. An der 
rechten Seite ist ein Streifen Leinwand angestückt. Das Bild wurde i. J  1832 von 
Abbate Celotti in Florenz für 5000 Thaler erworben. Der frühere Eigenthumer 
erklärte es für identisch mit demjenigen, welches laut Angabe Ridolffs I. 253 für 
Niccolö Crasso gemalt war. Eine Copie des Kopfes der Berliner Lavinia (von 
Waagen, Ermitage S. 62 irrthumlich für Brnchstuck eines Tizianischen Bildes der
	        
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