Volltext: Tizian (Bd. 2)

480 TlZlAN'S TOCHTER. 
CAP. 
Briefes bewahrt, worin Tizian dem Herzog Alfonso von Ferrara 
die Absendung eines Bildes ankündigt, welches die Person dar- 
stelle, „die ihm auf der ganzen Welt am theuersten sei  Als- 
dann beschreibt er „die Gestalt eines jungen Mädchens in Lebens- 
grösse, das anmuthig dahinwandelnrl mit dreiviertel Wendung 
des Kopfes hell ausschaut und dabei ihren Fächer bewegt  die 
Zeit ein Sommernachmittag, einladend für den Liebhaber, dem 
schönen Kinde den Hof zu machen"? Seannelli spielt damit 
zweifellos auf das Bild des jungen Mädchens in Weiss an, welches 
die Dresdener Galerie schmückt, aber man würde sehr irren, wollte 
man annehmen, dass dasselbe für Alfonso gemalt werden, und 
noch mehr, wenn man die Dargestellte dadurch zur Maitresse 
eines Fürsten stempelte, der im Jahre 1534 gestorben war. Und 
seitdem wir wissen, dass Tizian hier Antlitz und Gestalt seiner 
eigenen Tochter conterfeite, kann das Bildniss nicht mehr für die 
Traute des Herzogs gelten. Wie wir übrigens sehen werden, hat 
er Lavinia, deren Name sonderbarer Weise später in „Cornelia" 
verwandelt wurde, wiederholt gemalt? Musste der Meister die 
Schande erleben, dass sein ältester Sohn Pomponio den Priester- 
rock entehrte und seines Vaters Vermögen auf liederliche Weise 
vergeudete, so fühlte er sich umso mehr beglückt durch die 
Zuneigung der beiden anderen Kinder, die seiner Liebe würdig 
waren: Orazio, der ihn nach Rom begleitet hatte, legte zahlreiche 
Proben seines malerischen Talentes ab, und Lavinia, die sich i. J. 
1555 mit Cornelio Sarcinelli von Serravalle verheirathete, be- 
glückte ihn durch Weiblichkeit und Anmuth. Auf sie deutet Ri- 
dolii, wenn er das Bild "einer Jungfrau mit einem Fruehtkorbe" 
und das "eines Mädchens, das eine Schüssel mit Melonen trägt" 
in den Sammlungen des Niccolo Crasso und des Jan van Uifel 
in Antwerpen beschreibt. 25 Er nennt sie dabei „Cornelia" und 
wir begreifen den Irrthum allenfalls, wenn wir der Zofe im Hause 
des Grafen Pepoli in Bologna gedenken, die durch Covos" Lüstern- 
heit und dank der Liebedienerei, die ihr zu Willen war, mit 
 
L 
93 Scannelli, Microcosmo S. 222. 
M Ridolü I. 253 und 259.  25 Ridolß
	        
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