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XIV.
FARNEälSCjä
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PORTRÄTS.
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In dem Palaste, in Welchem Tizian an seiner Danae malte,
wurden zur selben Zeit arge dynastische Intriguen gesponnen.
Der Besteller des Bildes erwartete selbst einen goldenen Regen
von Würden, nach denen er leidenschaftlich geizte. Es erscheint
fast als Naturgesetz, dass die Glieder eines ehrsüchtigen und in
seinen Mitteln so unwählerischen Hauses, wie das farnesische war,
sich unter einander beneideten. Im August 1545 war Pier Luigi
zum Herzog von Parma und Piacenza erhoben worden, ein Er-
folg, den Ottavio mit seinem Weibe und ihr Vater der Kaiser um
so unerträglicher fanden, weil Karl der V. gerade seinen Gesandten
in Rom, Andelot, dringend angewiesen hatte, auf den Ansprüchen
seines Schwiegersohnes zu bestehen. Paul aber hatte die Eifer-
sucht des Sohnes gegen den Vater (Ottavids gegen Pier Liligi)
gebändigt und war mit dem neugebackenen Herzog überzeugt,
der Kaiser werde die fertige Thatsache eingedenk der Gefahren
anerkennen, die ein Bruch mit dem Papste eben jetzt beim Be-
ginn des Concils und am Vorabend des Krieges mit den Pro-
testanten für ihn hatte. Die Farnesen ahnten nicht, wie grimmig
sich der Kaiser für den Streich, den sie ihm spielten, rächen
werde. Vorläufig ignorierte er den Herzogstitel Pier Luigi's, schien
zu vergessen, dass Ottavio die Würde seines Vaters überkommen
und nannte jenen in öffentlichen Schriftstücken höhnend den „Her-
zog von. Castro
In dem Gruppenporträt des Papstes mit Kardinal Alessandro Neapel,
und Ottavio scheint mit oder ohne Absicht Tizian's etwas von Nääfffh,
der Verstimmung nachzuklingen, welche damals unter den Fa-
miliengliedern herrschte: Paul sitzt in seinem Armstuhl mit der
eingesunkenen Haltung, wie sie bei einem Greise von achtzig
Jahren, auf dem Sorgen und Verdruss lasten, nicht anders er-
wartet werden kann. Die rothe Kappe ist tief in die Stirn ge-
drückt, sodass sie die Brauen berührt, der Rock hoch zugeknöpft,
das gleich ihnen mit Pelz verbrämte weissseidene Uebergewand
fallt bis auf die rothen Pantolfeln herab. Auf dem rothbedeck-
ten Tische, worauf der Papst die Rechte legt, sieht man das
ominöse Stundenglas. Hinter dem Stuhle, mit einer Hand auf
der Lehne desselben, steht Alessandro in Kardinalstracht und