Volltext: Tizian (Bd. 2)

470 
TIZIAN 
UND 
DIE 
FARNESiL 
2113 
XIV. 
Etwa sechszehn Jahre früher hatte Correggio seine "Danaö" 
gemalt, die durch die Hände Federigo G0nzaga's in den Besitz 
KarPs des V. kommen sollte. Sie gehört zu den Bildern, welche 
ihrem Meister den Ruhm einbrachten, die Sinnlichkeit in den 
Adelsstand vollendeter Anmuth erhoben zu haben. In Wahrheit: 
Correggids Danae ist an Schmelz der Licht- und Schattenfüh- 
rung, an Ebenmaass der Verhältnisse, an feiner Silbertönilng des 
Fleisches, Lichtheit und Zartfühligkeit eine der glänzendsten 
Leistungen, aber neben Tizian's Gemälde erblasst sie. Er fügt 
zu diesen Eigenschaften auch noch die unvergleichliche Farbe und 
die breite Formbehandlung, die den Michelangelo nicht vergessen 
lässt. 
Auch Michelangelo hat diesen Stolfkreis mit seiner Leda be- 
rührt, die freilich nicht von ihm selbst, sondern von Pontormo 
und anderen Florentincrn nach seiner Zeichnung gemalt wurde. 
Sein gigantisches Gebilde ist so zu sagen ein Triumph des 
plastischen über das eigentlich malerische Element der Farbe. 
An die Strenge und Grossheit des Lineamentes reicht Tizizm 
nicht, dafür setzt er den Reiz ein, welchen Michelangelo ver- 
schmähte, und gibt uns Natur in Fleisch und Blut. Nebenbei 
fand auch der Eindruck der Antike hier einen unmittelbaren 
Wiederhall. Tizian hatte ohne Zweifel den Eros des Praxiteles, 
von welchem sich mehrere Wiederholungen in den römischen 
Galerien befanden, mit Wohlgefallen betrachtet." Das Motiv der 
Figur, das scheinbare Ausschauen nach gethaneni Schuss hielt er 
fest. Indem er Bein- und Körperhaltung umkehrte und den Kopf 
veränderte, schuf er in dem Cupido-Knaben seiner Danaä eine 
auf den plastischen Gesetzen der antiken Statue aufgebaute, gross 
angelegte und in jeder Faser lebensfahige Figur, die an die Meister- 
werke der Griechen erinnert. So sammelte Tizian an jedem Ab- 
schnitt seiner Künstlerbahn neue Kräfte, die sich gleichsam sum- 
mierend ihm auch auf der letzten Strecke des fast hundertjährigen 
Lebens Stand hielten.  
77 Dieser Eros im Vatikan, Museo Chiaramonti, ist stehend mit Flügeln dar- 
gestellt, beide Arme erhoben als hätte er soeben den Bogen gebraucht und schaut 
anscheinend dem Pfeile nach. Eine Wiederholung besitzt die Sammlung im Capitol.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.