Volltext: Tizian (Bd. 2)

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TIZIAN 
UND 
DIE 
FARNESEN. 
CAP. 
XIV 
welche einzeln bei Lionardo und Rafael oder bei Michelangelo, 
Correggio und Tizian hervortreten, in sich vereinigt hätte. Um 
malen zu können wie Tizian, bedurfte es eben seines eigenthüm- 
liehen Talentes und seiner Mittel. Die Farbe musste zu selbst- 
ständigem Wesen erhoben werden, wie andrerseits die Ausbil- 
dung der Formenwelt, welche die Florentiner auszeichnet, eine 
Unterordnung des farbigen Elementes forderte. Nur wer sich mit 
einer gewissen Einseitigkeit dieser Aufgabe widmete, konnte zu 
den Wirkungen von Licht und Schatten kommen wie sie Cor- 
reggio erreichte. Es hat vielleicht keinen umfassenderen Künstler- 
gegeben als Rafael, keinen den die Natur mit grösserer Fähigkeit 
zur Verschmelzung der höchsten und besten Kunstelemente aus- 
gestattet hätte; dennoch war er nicht eigentlich Colorist. Seba- 
stian, der mit stark venezianischer Anlage nach Rom kam, verlor 
seine [lrsprünglichkeit in augenfalliger Anlehnung an Rafael und 
lllichelangeloß" Seine künstlerische Ueberzeugung verpiianzte sich 
mit der des Michelangelo nach Venedig. Sie war in dem Motto 
ausgesprochen, das Tintoretto über seine Thür setzte; aber zeu- 
gungskräftig bewahrten sich die beiden Elemente nicht. Das 
Farbenideal der Venezianer und der grosse Stil der toscanischen 
Kunst gatteten sich nicht; dazu waren die Grundlagen zu ver- 
schieden, aus denen sie sich entwickelt hatten. Das schulmässige 
Experiment ihrer Vereinigung leisteten die Eklektiker von Bologna, 
aber Jedermann weiss, welclf ein Homunkulus zu Stande kam. 
Tizian selbst freilich hat es unverhohlen ausgesprochen: ein 
früherer Besuch Roms würde ihm nützlich gewesen sein, ja er 
hat sogar später dem Maler Leoni erklärt, dass er selbst damals 
noch, 1545 und 46, nicht ohne Vortheil dort gewesen sci7", aber 
es ist keineswegs ausgemacht, ob er 30 Jahre früher mehr davon- 
getragen hatte als jetzt. Was ein (ieist wie der seiuige durch 
den Aufenthalt in Rom gewinnen konnte, bestand in der Erweite- 
 
69. Üeber die Stilwandlungen Sebastimfs haben die Verfasser in ihrer Gesell. 
der ital. Malerei, deutsche Ausgabe Band VI. allßfüllflißh 2951319911911 
m s_ den Brief des Gigvanni Battista Leoni an Francescu lälontemezzano, Rom. 
6. August 1589 in den Lettere familiari di G. B. Leoni, Venedig 151'301 S- 15 und 
Bottari, Racc. di lett. pitt. V. S. 53. 
	        
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