Vorrede.
begrifflichen Ausspitzung des Gedankeninhalts die Güte der
sinnlichen Darstellung vernachlässigte, und dann aus der
andern, dass die Reaction hiegegen, welche die Wiederher-
stellung einzig der Inspiration und dem Elan der reinsinn-
liehen Begabung anheimstellte (die sich sogar von jeglichem
Schein der Darstellung zum Nutzen geschaffener Kunstregeln,
als von dem letzten Anhängsel abstracter Trockenheit, los-
sagen müsse), nicht vermochte, dem fortwährenden Weiter-
sinken derkünstlerischen Darstellungsfahigkeit auch nur auf
einen Augenblick Einhalt zu thun. Wer aber unter der Herr-
schaft dieser beiden feindseligen Richtungen recht eigentlich
zu Verlust kam, War das kunstbedürftige Publikum, vielleicht
doch nicht ein so verschwindend kleiner Theil unsrer Be-
völkerung, als auf den ersten Anblick scheinen möchte. Ein-
mal sah es sich den Werken bildender Kunst gegenüber-
gestellt, wie schwerlöslichen Problemen, deren Sinne nur an
der Hand irgend eines sonderbarsten ästhetischen ode1'ii1l1zilt-
liehen Commentars beizukommen sei, das andre Mal fand es
sich, was vielleicht noch vcrdriesslicher war, der absoluten
Tyrannei des sinnlichen Originalgenius gegenüber, welcher,
das Sichaufgeben jeder fremden Subjectivitat heischentl, seine
willkürlichen persönlichen Einfälle als Gesetze, oder vielmehr
gleichsam als Polizeibefehle octroyirte.
Da die sinnliche Darstellung offenbar der am meisten
der Aufbesserung bedürftige Theil unsres Kunsttreibens ist,
so ist es Aufgabe der Künstler, den vernachlässigten Dar-
stellungsmitteln, deren Kreis nun einmal langst ein in sich
geschlossen vorgezeichneter ist, Aufmerksamkeit und Nach-
denken endlich ernstlich zuzuwenden. Mit Kunstregeln, die-
selben als fertige Abstracta gefasst, lassen sich, receptmäissig,
Kunstwerke allerdings nicht hervorbringen. Die Aufforderung
zum Streben nach Regel und Gesetzund zu deren lebendiger
Verwendung findet ganz anderswo ihre Berechtigung, in dem
Umstand nämlich, dass die sinnliche Wahrnehmung LIIISGYGII
Verstand um so mehr zum Feststellen von Regel und Gesetz
veranlassen muss, je lebhafter, mannigfaltiger und bewusster
sie wird, oder dass der Trieb des ordnenden Verstandes, am