Zweiter Abschnitt.
Die Erlernung der einfachen technischen Behandlung des
Farbenmaterials, die mechanische Führung der coloristischen
Arbeit stellen sie aber in den Hintergrund. Und mit Un-
recht; denn die geistigen Resultate, bei Welchen die Alten auf
ihren früheren Erfahrungen bauend anlangten, beruhen auf
den materiellen Möglichkeiten, Welche die neue Technik bot,
und es wurde den Eigenthümlichkeiten des Materials von
Jenen eine Sorgfalt gewidmet, welche einen fast wissenschaft-
lichen Charakter trägt.
Suchen unsere modernen Coloristen nicht vor allen Dingen
die Alten auf diesen Pfaden wieder auf, so entbehrt ihr Be-
streben der verständigen Grundlagen. Was ihre Werke an-
langt, so wird dem Kenner Wohl willkommen sein, dass die-
selben mehr guten Willen verrathen, als die unserer malerischen
Knownothings. Aber sie werden ihm ihrerseits ebensowohl
als unsolide ausserliche Nachahmungen des alten Colorits er-
scheinen, wie ihm andererseits die Versuche jener Zeichner
als kernloses F ormelwesen gelten müssen, welche der alten
Meister Formenausdruck erreichen möchten, ohne zuvor deren
materielles Formenverstandniss zu erwerben.
Wir haben uns schon mit dem Gedanken vertraut ge-
macht, dass das geistige Wollen des Künstlers auf's Engste
an das technische Vermögen der Darstellung gebunden ist,
und dass das technische Material bis zu bedeutendem Grade
das Vermögen einschränkt. Der Kluge wird zwar innerhalb
dieser Schranken Freiheit der Bewegung zu erwerben suchen,
aber doch immer nur in der Richtung, die ihm das Material
gestattet. Es versteht dieses ein Jeder, der es in verschiedenen
Gattungen des Materials bis zu einer gewissen Perfection
brachte. Spitziges Material, wie Feder und Stift, wird unver-
merkt zum Studium des Umrisses und des anatomischen Orga-
nismus führen, denn die secirende Art des Ausdrucksmittels
begünstigt die in dieser Richtungzdes Studiums gehende exacte
Prüfung. Die Gesetze der malerischen Rundung wird aber
der leichter verstehen lernen, der seiner Freude an Licht und
Schatten mit breitem Material, mit Pinsel und Tusche in der
Hand, zu folgen vermag.